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An der Staatsspitze : Braucht Deutschland einen Bundespräsidenten?
Machtlos und ersetzbar oder wichtiger Baustein der deutschen Demokratie – drei Autoren diskutieren, ob es ein deutsches Staatsoberhaupt braucht.
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Mindestens alle fünf Jahre ist der Bundespräsident (bisher waren es immer Männer) großes Thema: wenn er gewählt wird. Darüber hinaus ist es sehr unterschiedlich, wie viel die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Staatsoberhaupt so mitbekommen.
Ziemlich intensiv wahrnehmen dürften Frank-Walter Steinmeier, den aktuellen Präsidenten, die an diesem Wochenende zum Bürgerfest in Schloss Bellevue geladenen Gäste. Gefeiert wird, passend auch zur aktuellen Debatte, das Ehrenamt unter dem Motto „Ehrensache – Ich bin dabei“.
Für alle, die dort nicht mitfeiern können, diskutieren in unserer Rubrik „3 auf 1“ dafür drei Tagesspiegel-Autoren die Frage: „Braucht Deutschland einen Bundespräsidenten?“.
Von wegen machtlos!
Der Präsident – von wegen machtlos! Er (vielleicht bald eine sie) hat das Recht und die Pflicht zum politischen Handeln; wie er handelt, über die Rolle als „Staatsnotar“ hinaus, entscheidet er sogar grundsätzlich selbst. Den Gestaltungsspielraum eröffnet sich der Präsident auch über seine Meinungsäußerungen.
Der Bundespräsident: Er kann keine Dekrete gegen den Willen der Regierung erlassen, hat allerdings wichtige „Reservevollmachten“. Besonders für Krisenzeiten ist das staats- und machtpolitisch bedeutsam. Das gilt beim Gesetzgebungsnotstand, bei der Wahl des Kanzlers, bei der Entscheidungsgewalt über die Auflösung des Bundestags, bei der Bildung einer Minderheitsregierung. Und weil ein Gesetz überhaupt erst nach der Unterschrift des Präsidenten in Kraft tritt.
Mehr noch: Von Amts wegen verkörpert das Staatsoberhaupt die „Einheit des Staates“. Das ist die große, die überwölbende Aufgabe. Sie bedeutet eine Anstrengung ohnegleichen, zumal sie im gesellschaftlichen Sinn politisch ist. Der Präsident als Hüter von Maß und Mitte, als neutrale Kraft, die sinnstiftend und integrativ wirkt. Wenn es gelingt. Wir sollten das wichtig nehmen.

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Hohe Kosten und wenig Gegenwert
Geld ist nicht immer ein Argument, aber egal ist es auch nicht: Nur noch knapp unter 60 Millionen Euro liegt der jährliche Etat des Bundespräsidialamts in diesem Jahr, eine Rekordsumme. Der Schloss-Bellevue-Amtssitz soll ab 2026 für einen noch unbekannten Betrag saniert werden, ein Ausweichquartier entsteht für 205 Millionen Euro. Was ist der Gegenwert für all das?
Der Bundespräsident ist laut Grundgesetz der oberste Repräsentant der Bundesrepublik, was wolkig klingt – und ist. Er empfängt Besuch und hält Reden, die je nach Amtsinhaber in Qualität und Wirkung schwanken. Der Trend zeigt abwärts. So findet er immer weniger Widerhall und gerät in Vergessenheit. Da er für die aktuelle Politik, also das, was die Bevölkerung angeht, nicht von Bedeutung ist, ist das nicht weiter schlimm.
Wozu also dieses Amt? Wäre es nicht richtiger, die paar formalen Handgriffe, die aktuell dem Bundespräsidenten zukommen, auf die Bundestags- und/oder Bundesratspräsidentschaften zu verteilen? Möglich ist das, wie der Jenaer Jurist Maximilian Weber kürzlich in der „FAZ“ ausführte. Und wäre außerdem schlanker, effizienter und günstiger als bisher. Schöne Aussichten, oder?
Verbindend und prüfend
Der Bundespräsident gehört zum Staat wie Flagge, Hymne und Adler. Allerdings ist sein Amt nicht ganz so statisch. Der erste Mensch im Staat hat die einzigartige Möglichkeit, außerhalb der Parteipolitik als Brückenbauer täglich daran zu arbeiten, die Menschen im Land zusammenzuführen. Durch Reden, Begegnungen oder, wie in dieser Woche, beim Bürgerfest.
Und er vertritt die Bundesrepublik gegenüber dem Ausland. Wer ihn dabei begleitet, sieht, dass das keine Pro-Forma-Auftritte sind, sondern sehr geschätzt wird. Neben dieser verbindenden Funktion hat er eine zweite, die vielen wenig präsent sein dürfte, die aber entscheidend ist.
Bundesgesetze sind in Deutschland erst gültig, wenn sie der Bundespräsident – nach Prüfung – unterzeichnet hat. Und es kommt tatsächlich vor, dass die Unterschrift zunächst verweigert wird, zuletzt unter Horst Köhler.
Der Bundespräsident ist damit einer der Hüter der Verfassung. Er prüft, ob Gesetze dem Grundgesetz entsprechen. Bei einer misslungenen Kanzlerwahl kann er zudem entscheiden, ob er einen Kandidaten mit relativer Mehrheit ernennt oder den Bundestag auflöst. Das mag abstrakt klingen, ist im konkreten Fall aber ein wesentlicher Baustein der Demokratie.
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