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Zweieinhalb Minuten Parteichefin Andrea Nahles am Abend der Hessen-Wahl.

© Kay Nietfeld/dpa

SPD nach der Hessenwahl: Andrea Nahles will noch einmal Zeit gewinnen

In der SPD müsse sich etwas ändern, sagt die Vorsitzende – und in der großen Koalition auch. Einen „Fahrplan“ will sie aber erst am Montag vorlegen.

Von Hans Monath

Thorsten Schäfer-Gümbel musste wenigstens nicht mehr gegen die Wirklichkeit anreden, als er am Sonntagabend in Wiesbaden einen "schweren und bitteren Abend" für seine hessische SPD eingestand. Den ganzen Wahlkampf über hatte der Spitzenkandidat darauf bestanden, dass er die Bürger in Hessen für Landesthemen wie bezahlbare Wohnungen oder bessere Bildung begeistern könne - und dabei nicht durch das Gezänk in der großen Koalition und die Misere der SPD im Bund behindert werde.

Doch die Möglichkeit, sich gegen einen schlechten Bundestrend durchzusetzen, seien begrenzt, resümierte der nun zum dritten Mal gescheiterte Herausforderer eines CDU-Ministerpräsidenten enttäuscht: "Wir haben nicht nur keinen Rückenwind aus Berlin erhalten, sondern wir hatten regelmäßig Sturmböen im Gesicht."

Als wenig später Andrea Nahles im Willy-Brandt-Haus vor die Kameras trat, bekräftigte sie die Schuldzuweisung des hessischen Genossen an die Verhältnisse im Bund. Man habe im Wahlkampf eine "sehr gut aufgestellte SPD" erlebt sowie einen "hoch glaubwürdigen Spitzenkandidaten, der nichts falsch gemacht hat", sagte die Parteichefin mit leichenblasser Miene.

Nahles steht seit Wochen unter massivem Druck aus ihrer Partei, viele machen sie für Fehler im Fall Maaßen verantwortlich und halten die große Koalition für den Grund dafür, dass die Umfragen für die Bundespartei fast im Wochenrhythmus sinken. Doch seit am Sonntagnachmittag in der Parteizentrale die ersten Trends aus der Nachwahlbefragung durchsickerten, war klar: Nach dem Absturz der SPD von mehr als zehn Prozent in Hessen und dem Platzen jeder Hoffnung auf Regierungsbeteiligung war ein „Weiter-so“ nicht mehr möglich.

Etwas musste Nahles ihnen bieten, wenn sie nicht die Forderungen nach einem neuen Mitgliederentscheid über die große Koalition oder einem Sonderparteitag bekräftigen wollte, die in der Partei für Unruhe sorgen. "Es muss sich in der SPD etwas ändern", sagte Nahles in ihrem Statement, das nur zweieinhalb Minuten dauerte. Ihre Partei müsse nun klären, für was sie jenseits der großen Koalition stehe. Ursprünglich habe man mehr Zeit für diesen Klärungsprozess eingeplant. Doch nun müsse sie feststellen, dass die Partei diese Zeit nicht habe.

Nahles: „Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel“

Mit ihrer zweiten Ankündigung blieb die SPD-Chefin im Vagen. "Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel", konstatierte sie. Auch bei der Union müsse sich etwas ändern, es müsse auch personelle Konsequenzen geben, forderte sie offenbar im Hinblick auf CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer. Als handlungsunfähig wollte Nahles ihre Partei nicht verstanden sehen. "Wir legen unser Schicksal nicht einfach in die Hände unseres Koalitionspartners", verkündete sie. Die SPD werde darauf bestehen, dass sich die Koalition einen "verbindlichen Fahrplan" gebe. Anhand dieses Katalogs könne die SPD dann bis zur ohnehin vereinbarten Halbzeitbilanz im Jahr 2019 prüfen, ob es sich lohnt, weiter in der Regierung zu bleiben.

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Die Formulierung "roter Linien" gegenüber der Union, bei deren Überschreiten ein Ende der Koalition die Folge wäre, hatten bislang in der SPD vor allem die Jusos gefordert - und Nahles hatte sie bislang abgelehnt. Unter dem Eindruck des gewachsenen Drucks nun versucht sie Zeit zu gewinnen - und kommt den Jusos etwas entgegen. Sie werde dem Vorstand am Montag einen Koalitionsfahrplan vorlegen, kündigte sie an. Er könnte, wie es in der Partei heißt, inhaltliche Bedingungen enthalten - etwa eine schärfere Linie als die von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in der Diesel-Affäre oder auch eine glasklaren Absage an Rüstungsexporte an Saudi-Arabien.

Ob das reicht? Wie es um die SPD steht, machte am Sonntagabend auch eine Mahnung von Parteivize Ralf Stegner deutlich. Der mahnte, die SPD solle jetzt nicht anfangen, sich selbst zu zerlegen. Debatten über Personen seien nun überhaupt nicht richtig, warnte er im ZDF. Stegner wird bei seiner Mahnung wohl nicht nur an das Schicksal von Andrea Nahles gedacht haben.

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