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Newsblog zur Landtagswahl in Hessen: Schwarz-Grün hauchdünn vorn – SPD nur auf Platz drei
Das Endergebnis ist für die Sozialdemokraten noch bitterer als die Hochrechnungen: Die Grünen liegen mit 94 Stimmen vorn. Die Hessen-Wahl zum Nachlesen im Blog.
Von
- Christian Tretbar
- Matthias Meisner
- Ingo Salmen
Stand:
- CDU und SPD erleiden in Hessen zweistellige Verluste.
- Die Grünen sind 94 Stimmen vor der SPD zweitstärkste Kraft.
- Die Sozialdemokraten fallen unter 20 Prozent.
- Schwarz-Grün könnte an der Macht bleiben: mit 69 von 137 Sitzen.
- Komfortabler wäre eine Mehrheit für eine Jamaika-Koalition.
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Endergebnis und Wahlanalyse
Wer hat was erreicht, welche Koalitionen sind möglich - und was waren die Motive der Wählerinnen und Wähler? In diesem Beitrag von Albert Funk bekommen sie einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse und Einordnungen der Hessenwahl. Damit beenden wir unsere Live-Berichterstattung der Wahlnacht. Am frühen Morgen sind wir aber schon wieder mit neuen Berichten für Sie da. Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Diskussionsbeiträge!
Auf der CDU-Klausurtagung des Bundesvorstands kommenden Sonntag soll es nach Angaben von CDU-Politikern auch um die Frage gehen, ob Kanzlerin Angela Merkel ihren CDU-Vorsitz aufgeben sollte. "Auch das sollte diskutiert werden", sagt ein CDU-Vorstandsmitglied zu den Forderungen nach einer personellen Erneuerung an der CDU-Parteispitze der Nachrichtenagentur Reuters. Nach den großen Verlusten in Hessen und schlechten Umfragen für die Union müsse alles auf den Tisch.
Zuvor hatten erste CDU-Bundestagsabgeordnete wie Christian von Stetten offen eine personelle Veränderung an der Parteispitze gefordert. Spätestens bei der CDU-Vorstandsklausur am 4. und 5. November in Berlin müsse die Führungsspitze darlegen, wie die CDU die Wende schaffen solle, sagte auch der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, der "Rheinischen Post". "Wer hier in Berlin dieses Ergebnis schönreden will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt."
Zuvor hatten erste CDU-Bundestagsabgeordnete wie Christian von Stetten offen eine personelle Veränderung an der Parteispitze gefordert. Spätestens bei der CDU-Vorstandsklausur am 4. und 5. November in Berlin müsse die Führungsspitze darlegen, wie die CDU die Wende schaffen solle, sagte auch der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, der "Rheinischen Post". "Wer hier in Berlin dieses Ergebnis schönreden will, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt."
Der Ausgang einer solchen Debatte auf der Klausurtagung sei allerdings offen, hieß es in CDU-Kreisen dazu. Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel hat bisher die Trennung beider Ämter strikt abgelehnt und bereits eine Kandidatur für eine Wiederwahl auf dem CDU-Bundesparteitag Anfang Dezember angekündigt. Auch unter Merkel-Kritikern ist umstritten, ob beide Ämter in einer Hand bleiben sollten.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer wollte am Sonntagabend nicht sagen, ob sie eine erneute Kandidatur Merkels als Parteichefin unterstützt. "Die Bundesvorsitzende hat ganz klar erklärt, dass sie auf dem Parteitag noch einmal antreten wird. Und ich habe bis zur Stunde keine anderen Signale", sagte die frühere saarländische Ministerpräsidentin. Als sie später im ZDF erneut gefragt wurde, was dies bedeute und ob sie selbst Merkel unterstütze, verwies Kramp-Karrenbauer lediglich darauf, dass in der CDU-Spitze eine gemeinsame Verantwortung gebe, die Partei programmatisch zu erneuern. (Reuters, dpa)
Rechnerisch möglich: Tarek Al-Wazir als Ministerpräsident
Eine Koalitionsoption, die sich aus der Sitzverteilung ergeben könnte, haben wir noch ausgelassen: ein Bündnis von Grünen, SPD und FDP. Auch dieses käme gerade so auf die absolute Mehrheit von 69 der 137 Sitze im neuen Landtag. Dank der 94 Stimmen Vorsprung vor den Sozialdemokraten hätten dann die Grünen das Anrecht auf das Amt des Regierungschefs: Tarek Al-Wazir würde hessischer Ministerpräsident werden. Wir hören schon Christian Lindner: "Lieber nicht regieren als ..." Und zum Grünen Habeck, falls der mit dieser Variante liebäugeln sollte: "Rooobert!"
Schwarz-Grün kann Mehrheit knapp verteidigen
Entscheidend ist die Sitzverteilung. Und die besagt: Schwarz-Grün kann mit hauchdünner Mehrheit weiterregieren. Möglich sind aber auch andere Konstellationen. Der hessische Landtag wird künftig wegen zahlreicher Überhang- und Ausgleichsmandate 137 Abgeordnete haben, bisher waren es 110. Die CDU hat künftig 40 Sitze, der bisherige Koalitionspartner Grüne und die SPD jeweils 29 Sitze. Die AfD erreicht 19 Sitze, die FDP 11, die Linke 9. Damit kämen CDU und Grüne gerade so auf die notwendige Mehrheit von 69 Sitzen, um ihr Bündnis fortzusetzen. Theoretisch hätten auch eine Koalition von CDU und SPD eine Mehrheit von ebenfalls 69 Sitzen, praktisch dürfte eine solche Regierung jedoch ausgeschlossen sein, nachdem die SPD schon die große Koalition im Bund kaum mehr unterstützt. Schließlich käme auch Jamaika in Frage: Mit den elf Sitzen der Liberalen käme eine Koalition von CDU, Grünen und FDP auf eine komfortable Mehrheit von 80 Sitzen. CDU-Regierungschef Volker Bouffier hat bereits angekündigt, mit beiden möglichen Partnern sondieren zu wollen. Ob Grüne und FDP miteinander auskämen, ist eine andere Frage. (mit dpa)Grüne auf Platz zwei: Das Fotofinish in absoluten Zahlen
570.260 Hessen stimmten für die Grünen, 570.166 für die SPD, macht einen Vorsprung von 94 Stimmen für den bisherigen Juniorpartner der Christdemokraten von Ministerpräsident Volker Bouffier.
Vorläufiges Endergebnis: CDU vor Grünen und SPD
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die CDU am Sonntag auf 27,0 Prozent, die SPD auf 19,8, die Grünen ebenfalls auf 19,8 Prozent – sie liegen jedoch hauchdünn vor den Sozialdemokraten. Die AfD liegt bei 13,1, die FDP bei 7,5 und die Linke bei 6,3 Prozent.
Wir sind gespannt ...
Grüne holen fünf Direktmandate
Die hessischen Grünen haben insgesamt fünf Direktmandate errungen. Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir setzte sich in seinem Offenbacher Wahlkreis mit 27,5 Prozent der Wahlkreisstimmen gegen die Bewerber von CDU und SPD durch, wie die Landeswahlleitung mitteilt. Auch bei den Landesstimmen lagen die Grünen in dem Wahlkreis vorn. Vor fünf Jahren hatte die CDU dort das Direktmandat geholt. Die zweite Grünen-Spitzenkandidatin Priska Hinz konnte sich im Lahn-Dill-Kreis hingegen nicht durchsetzen. Dort gewann die CDU wie bereits vor fünf Jahren das Direktmandat. Hinz ist in der bisherigen schwarz-grünen Landesregierung Umweltministerin, Al-Wazir Wirtschafts- und Verkehrsminister sowie Stellvertreter von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).Ihren zweiten Wahlkreis gewannen die Grünen in Darmstadt direkt. Dort ließ die Kandidatin Hildegard Förster-Heldmann CDU und SPD hinter sich. Ein Wahlkreis in Kassel ging direkt an die Grünen-Kandidatin Vanessa Gronemann. Zwei Frankfurter Wahlkreise gewannen für die Grünen Miriam Dahlke und Marcus Bocklet. (AFP)
SPD-Politiker Kahrs kritisiert "Hühnerhaufen" der Union
Der Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD-Fraktion, Johannes Kahrs, macht der Union Vorwürfe. "Die SPD kann das Elend eines politischen Hühnerhaufens an der Spitze der Union nicht mehr länger akzeptieren" sagt er der "Funke Mediengruppe" einem Vorabbericht zufolge. Für das "katastrophale Erscheinungsbild" der Koalition sei allein die Union verantwortlich. (Reuters)
Unsere TV-Kritik zu "Anne Will"
Der Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer und Olaf Scholz in der ARD sagt viel über das Debakel von CDU und SPD. Anders Christian Lindner und Robert Habeck.Bouffier gewinnt auch direktes Duell gegen Schäfer-Gümbel
Eine "bittere Niederlage" sei es für die SPD gewesen, sagte Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel am Abend. Jetzt muss er noch eine zweite Schlappe verkraften: Auch im direkten Duell gewann Ministerpräsident Volker Bouffier gegen ihn. Der CDU-Politiker gewann seinen Wahlkreis in Gießen gegen Thorsten
Schäfer-Gümbel erneut direkt. Wie die Wahlleitung mitteilt, holte Bouffier 33,8 Prozent der Wahlkreisstimmen. Auf Schäfer-Gümbel
entfielen demnach 26,7 Prozent. Vor fünf Jahren hatte Bouffier noch 46,9 Prozent
erreicht, Schäfer-Gümbel 39,3 Prozent. Auch darin spiegelt sich der enorme Verlust der beiden Volksparteien wieder. (mit AFP)
"Robert!"
Ganz großes Kino läuft derzeit in der ARD. "Robert" und "Christian" sitzen nebeneinander, gemeint sind Grünen-Chef Robert Habeck und der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, sie duzen sich, sie zoffen sich, sich rangeln sich um die liberale Mitte. Und ringen auch um ihre politischen Positionen – bis zu Lindners Vorwurf an die Grünen, "Klimanationalisten" zu sein.
Wohin die früheren Wähler der SPD gegangen sind
Bouffier will Jamaika sondieren
Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) will am Montag mit SPD, Grüne und FDP über die Bildung einer Koalition sondieren. Dabei habe er die klare Präferenz für eine Jamaika-Koalition, sagt der CDU-Vize in der ARD. Nur im Notfall komme ein Bündnis mit der SPD infrage.
Al-Wazir holt Direktmandat in Offenbach
Der hessische Grünen-Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir hat in seinem Wahlkreis Offenbach-Stadt das Direktmandat geholt. Al-Wazir setzte sich mit 27,5 Prozent der
Wahlkreisstimmen gegen die Bewerber von CDU und SPD durch, wie die
Landeswahlleitung mitteilte. Auch bei den Landesstimmen lagen die
Grünen in dem Wahlkreis vorn. Vor fünf Jahren hatte die CDU das Direktmandat
geholt. (AFP)
Unzufrieden sind nicht nur die alternden Männer
Tagesspiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron kommentiert die Bedeutung der Hessenwahl für den Bund: "Die Unzufriedenheit in Deutschland wird beileibe nicht allein geprägt durch lautstarke, alternde, ängstliche, weiße Männer. Die pragmatische Mitte, die sich in Bayern schon in bemerkenswerter Weise von SPD und CSU zu den Grünen hin abgesetzt hat, votiert in immer vernehmbarer Weise für einen Wechsel in Berlin, einen neuen Aufbruch, mehr Energie für die Zukunftsthemen des Landes: Die im europäischen Maßstab erschütternd schleppende Digitalisierung. Die halbherzigen Konzepte, die Deutschland bei der Luftreinhaltung hinter vielen Ländern zurückfallen lässt. Die sträfliche Vernachlässigung der Schulen, der Zukunftsschmieden der Nation."Wagenknecht: Groko am Ende
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, schreibt im Newsletter an ihre Anhängerinnen und Anhänger: "Hessen hat gewählt - und wieder einmal zeigt sich: Die Große Koalition ist am Ende!" Der weitere Abend und die nächsten Tage würden nun zeigen, welche Mehrheiten möglich sind und ob in Berlin bei der großen Koalition Konsequenzen gezogen werden. Eine soziale und friedliche Politik anstelle der "großen Koalition des Staatsversagens" sei überfällig.
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