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Angela Merkel kann nicht verstehen, dass die SPD in Thüringen einen linken Ministerpräsidenten unterstützt.

© Reuters

Parteienstreit: Angela Merkel schlägt einen neuen Ton an

Auf einer CDU-Veranstaltung attackiert die Bundeskanzlerin den Koalitionspartner SPD wegen der rot-rot-grünen Koalition in Thüringen. Ihre scharfe Kritik könnte das Vorspiel zur Bundestagswahl sein.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Matthias Meisner

Wenn die Attacke auf den Koalitionspartner geplant war, dann hat die CDU sie gut versteckt. Am Dienstagabend ist zum Mauerfall-Gedenken ins Konrad- Adenauer-Haus geladen worden, angekündigt wird „neben dem Grußwort der Vorsitzenden“ eine Talkrunde mit einem Historiker, dem „Sonnenallee“-Autor Thomas Brussig und der Bürgerrechtlerin Freya Klier. Es fängt auch harmlos an. Generalsekretär Peter Tauber erzählt, wie er als 15-Jähriger am Fernseher die Bilder aus Berlin sah. Angela Merkel erzählt von der Verblüffung in Polen, als sie vier Tage später zu einem Uni-Treffen nach Warschau fuhr statt ins KaDeWe: „Ist ja toll, dass du gekommen bist!“

„Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat!“

Aber im Grunde hat die sichtlich verschnupfte CDU-Chefin keine Lust auf Anekdoten. In Erfurt hat am Nachmittag die SPD das Ergebnis ihrer Mitgliederbefragung verkündet. 70 Prozent sagen Ja zu einer rot-rot-grünen Koalition unter dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Merkel hat zu Thüringen bisher geschwiegen, um die kleine Chance auf die große Koalition nicht zu gefährden. Jetzt ist Schluss mit Rücksicht.

Die CDU-Chefin fertigt SPD, Grüne und Linke kalt in einem Aufwasch ab. Als Erstes kommt die Linke dran. „Traurig“ mache es sie, dass nach 25 Jahren immer noch über den Charakter der DDR-Diktatur gestritten werde, die sich doch selbst so genannt habe: Diktatur des Proletariats. „Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat!“ Wie sonst solle man einen Stasi-Spitzelstaat denn nennen?

Schmerzhafte Ohrfeige

Dann kommt die SPD an die Reihe. Die hatte sich am Wochenende schon Schelte des Bundespräsidenten anhören müssen. Joachim Gauck argwöhnt, dass die SED- Nachfolgepartei den Weg zur Demokratie noch nicht durchweg vollzogen hat. Merkel wählt einen viel kühleren, fast politikwissenschaftlichen Ansatz: „Mich beschäftigt, wie die SPD sich bereitfinden kann, als Juniorpartner in eine Regierung unter Führung einer Partei zu gehen, die links von ihr steht.“ Die SPD, diese „historisch stolze Volkspartei“, bringe sich damit in eine „auch staatspolitisch bedrückende Lage“. Wenn es Ramelow nicht ganz dumm anstelle, werde er die SPD weiter an den Rand drängen. Ach, und die Grünen – rein „taktisch“, sonst nichts.

In der SPD haben sie diese Ohrfeige sehr genau registriert. Sie tut weh, umso mehr, als in der Parteispitze viele fürchten, dass die Kanzlerin recht hat. Knapp fallen denn auch die Kommentare aus. Thüringens SPD-Landeschef Andreas Bausewein schimpft, Merkel mache es sich aus dem fernen Berlin „ein bisschen einfach“. Ex-Parteivize Wolfgang Thierse betont, Merkel habe „als Parteivorsitzende“ gesprochen. Der Erfurter Grünen-Landeschef Dieter Lauinger behauptet kurzerhand, das sei genau die Debatte, die er sich gewünscht habe.

Linker Widerspruch

Die Linken widersprechen ausführlicher. „Verloren hat die SPD in Thüringen und im Bund als Juniorpartner der CDU, nicht der Linken“, merkt Fraktionsvize Dietmar Bartsch an. „Staatspolitisch bedrückend“ sei es, sagt Bartsch dem Tagesspiegel, wenn Merkel demokratische Entscheidungen ihres eigenen Koalitionspartners mit „Rote-Socken-Kampagnen“ madigmache.

Mit der historischen Anspielung liegt Bartsch vielleicht nicht ganz falsch. In Merkels kühler Betrachtung klingt etwas an, was zum Tonfall der Bundestagswahl 2017 werden könnte. In CDU und CSU kalkuliert mancher längst, dass bei anhaltender Schwäche der FDP und anhaltender Stärke der AfD die Union auf eine absolute Mehrheit zielen muss – unter lauten Warnungen vor Rot-Rot-Grün und vor SPD-Genossen, bei denen nicht mal auf den Volksparteien-Stolz Verlass sei.

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