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Polizisten sichern am Donnerstag in Paris die Straße vor einem Polizeirevier, in das ein Attentäter eindringen wollte.

© Ian Langsdon/dpa

Update

Flüchtlinge und Terrorismus: Angreifer von Paris wohnte in Asylunterkunft in Recklinghausen

Bei dem Mann, der am Jahrestag des "Charlie-Hebdo"-Anschlags in ein Pariser Polizeirevier eindringen wollte, handelte es sich offenbar um einen in Deutschland registrierten Asylbewerber. Er war der Polizei bereits bekannt.

Der Attentäter, der am Donnerstag bei einem Angriff auf Polizisten in Paris erschossen wurde, hat in einer Asylbewerberunterkunft in Recklinghausen gewohnt. Einsatzkräfte der Polizei hätten seine Wohnung am Samstag nach konkreten Hinweisen der französischen Sicherheitsbehörden durchsucht, teilte das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt am späten Samstagabend mit. Aus Sicherheitskreisen hieß es, bei dem Mann habe es sich um einen Asylbewerber gehandelt.

Nach Angaben des LKA ergaben sich bei der Durchsuchung keine Hinweise auf weitere mögliche Anschläge. Das LKA setzte demnach eine eigene Ermittlungskommission ein. Diese stimme sich eng mit den französischen Sicherheitsbehörden ab und stehe zudem im engen Informationsaustausch mit dem Bundeskriminalamt. Weitere Angaben wollte das LKA zunächst nicht machen, um "die laufenden Ermittlungen in Frankreich nicht zu gefährden".

Dem französischen Innenminister zufolge handelte der Mann bei seinem Angriff allein. Seiner Kenntnis nach habe er keine Komplizen gehabt, sagte Bernard Cazeneuve am Sonntag den Sendern Europe 1 und iTélé. Dass der Angreifer in Recklinghausen gelebt habe, könne er nicht bestätigen, sagte Cazeneuve.

Angreifer war der Polizei bekannt

Der Angreifer hatte am Jahrestag des Anschlags auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" am vergangenen Donnerstag mit einem Metzgerbeil bewaffnet und "Allahu Akbar" (Gott ist groß) rufend Polizisten vor einem Kommissariat im Pariser Viertel Goutte d'Or attackiert. Die wachhabenden Polizisten erschossen den Mann, der auch eine Sprengstoffgürtel-Attrappe trug.

Bei der Leiche wurde ein Bekennerschreiben mit einer aufgemalten Fahne der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gefunden, in dem der Mann IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi die Treue schwört. Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete deswegen Terror-Ermittlungen ein. Aus französischen Ermittlerkreisen hieß es am Freitag, Verwandte hätten den Toten als einen Tunesier namens Tarek Belgacem identifiziert. Der Name stand demnach auch auf dem Bekennerschreiben.

Er ist der deutschen Polizei offenbar seit langem bekannt gewesen und war sogar schon inhaftiert. Er habe unter verschiedenen Identitäten Straftaten verübt und eine einmonatige Freiheitsstrafe unter anderem in Heinsberg, Iserlohn und Bochum abgesessen, sagte der Direktor des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen, Uwe Jacob, am Sonntag in Düsseldorf. Unter anderem sei gegen ihn wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, Rauschgifthandel und Körperverletzung ermittelt worden.

Bericht: Unter vier Namen in Deutschland registriert

Am Freitag war auch eine erste Spur nach Deutschland bekannt geworden: Nach Angaben der französischen Behörden hatte der Mann ein Handy mit einer deutschen SIM-Karte dabei.

Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf deutsche Sicherheitskreise berichtete, hatte der Mann in Deutschland unter dem Namen Walid Salihi Asyl beantragt. Insgesamt war er demnach unter vier Aliasnamen in der Bundesrepublik registriert. Als Staatsangehörigkeit habe er mal syrisch, mal marokkanisch, mal georgisch angegeben.

In Deutschland war der Mann dem Bericht zufolge schon mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. In der Flüchtlingsunterkunft in Recklinghausen habe er im September das Zeichen des IS an die Wand gemalt. Eine LKA-Sprecherin wollte sich nicht zu dem Bericht äußern. "Spiegel Online" zufolge soll er in der Unterkunft auch mit einer IS-Fahne posiert haben. Er soll von Behörden in Nordrhein-Westfalen als "Verdachtsfall" eingestuft worden sein. Im Dezember sei er spurlos verschwunden.

In der Stadt wurde die Nachricht mit Bestürzung aufgenommen, wie der Recklinghauser Bürgermeister Christoph Tesche am Sonntagmorgen erklärte. Er kündigte an, die mit der Flüchtlingsunterbringung befassten Fachbereiche der Verwaltung umgehend zu konsultieren. "Sollten wir zur Aufklärung des Sachverhaltes etwas beitragen können, werden wir das selbstverständlich tun."

Ein tunesisches Paar, das sich als Tareks Eltern vorstellte, bestätigte am Samstag, dass sich ihr Sohn kürzlich in Deutschland aufgehalten habe. Ihr Sohn habe sie von dort aus gebeten, ihm Auszüge aus dem Geburtsregister zu schicken und sei nur wegen seines Passes auf dem Pariser Kommissariat gewesen, sagte die Frau dem tunesischen Radiosender Sabra FM.

Sie selbst habe ihren Sohn gebeten, nach Hause zu kommen, da sie sich einer Handoperation unterziehen müsse und ihn sehen wolle, sagte die Frau. "Er hat nichts getan", sagte sie weiter und warf den französischen Behörden vor, ihren Sohn grundlos getötet zu haben. Sein Vater bekräftigte, sein Sohn Tarek habe keiner extremistischen Organisation angehört. Nach Angaben des Senders stammt die Familie aus Ouled Chemkh im Verwaltungsbezirk Mahdia. (Tsp/AFP/dpa)

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