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Stephan Brandner (AfD) im Bundestag.

© dpa/Alicia Windzio

Angriff auf Amadeu Antonio Stiftung: Wieso der Kulturkampf der AfD diesmal scheiterte

Im Bundestag versucht die AfD eine weitere Attacke gegen die Amadeu Antonio Stiftung – und läuft ins Leere. Das könnte Schule machen.  

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Mittwochabend steht der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner am Rednerpult und will begründen, weshalb der Amadeu Antonio Stiftung dringend alle staatlichen Fördermittel gestrichen werden müssen. In der Vergangenheit hat er die gemeinnützige Stiftung wahlweise als „Stasi-Verein“, „Steuergeldeinsammelstelle“ oder „linksradikales Netzwerk“ diffamiert.

Dieses Mal versucht er es mit der Behauptung, sie sei schlicht entbehrlich. Daher stellt Stephan Brandner dem Plenum eine rhetorische Frage: Gebe es denn überhaupt irgendein Projekt dieser Stiftung, wenigstens eine einzige Maßnahme, die Deutschland „auch nur ein kleines Stückchen besser“ gemacht habe?

Der CSU-Abgeordnete Konrad Körner kontert. Was sei denn, zum Beispiel, mit der Kampagne „Jetzt du! Zusammen gegen Antisemitismus und Judenhass“, will Körner wissen. Sei die AfD tatsächlich der Meinung, dass eine Kampagne gegen Antisemitismus Deutschland nicht voranbringe? Es ist ein Treffer, der sitzt.

Empörungskampagne auch im Netz

Seit Jahren attackiert die AfD die Amadeu Antonio Stiftung (AAS). Mittlerweile erhält sie dabei Unterstützung durch rechte Plattformen wie „Nius“ oder „Apollo News“.

Nun hat die AfD-Fraktion einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der Stiftung alle staatlichen Fördergelder für Projekte zu streichen. Im Visier sind damit etwa die knapp 600.000 Euro für die diesjährigen „Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus“, die aus dem Titel des Antisemitismusbeauftragten Felix Klein stammen.

Es ist der nächste Versuch, die Union in einem Kulturkampf von den übrigen demokratischen Parteien im Parlament abzuspalten und ins eigene Lager herüberzuziehen. Der Politikberater Johannes Hillje sagt, die AfD strebe auf diesem Weg die Beseitigung der politischen Mitte an und wolle ihr Ziel durch kulturelle Polarisierung sowie Druck auf die Union erreichen. Die Bundestagsfraktion der AfD hat dieses Prinzip sogar in einem Strategiepapier festgehalten.

Sie unterstellen der Stiftung eine Nähe zum Extremismus und liefern dazu keinen einzigen Beleg.

Felix Döhring (SPD), an die AfD gerichtet

In der ersten Jahreshälfte ließ sich die Union in solchen Kulturkämpfen wiederholt vor sich hertreiben, was im Juli unter anderem zum Desaster der verschobenen Verfassungsrichterwahl führte. Seitdem hat die Union offenbar dazugelernt.

Der CSU-Abgeordnete Konrad Körner, der Brandner im Bundestag mit seiner Zwischenfrage überrascht, tritt später auch selbst ans Rednerpult. Er wirft der AfD Denunziation vor und sagt, es sei „sehr befremdlich, wenn sich die AfD einen einzelnen Förderempfänger herausgepickt, den sie mundtot machen will“.

Der gestellte Antrag auf Mittelstreichung sei „völlig abstrus“ und zeige im Übrigen die Unterschiede zwischen Union und AfD auf: also die Unterschiede zwischen „anständiger, manchmal vielleicht langweiliger bürgerlicher Politik“ und dem „extremen, plumpen Gegeifere“ der AfD. Denn auch aus Unionsicht gebe es mit Blick auf die Stiftung einzelne Projekte, bei denen man darüber streiten könne, ob sie notwendig seien.

Ob ein Projekt seinen Förderbestimmungen widerspreche, müsse jedoch im Einzelfall überprüft und bewertet werden, was das Bundesbildungsministerium ja auch tue. „Sollten wir deswegen grundsätzlich eine Organisation im Bundestag an den Pranger stellen?“ Nein, sagt Konrad Körner. So etwas geschehe nur in Autokratien.

Körner fragt dann noch, ob die AfD nicht wenigstens konkrete Aussagen darüber machen könne, bei welchen Projekten der Stiftung angeblich etwas schiefgegangen sei und zum Beispiel gegen Förderauflagen verstoßen wurde. „Fehlanzeige“, sagt Körner. „Diese Arbeit machen Sie sich nicht mal.“

Der Scharfmacher ist ein Höcke-Vertrauter

Der Abgeordnete Stephan Brandner, der an diesem Abend die Stiftung attackiert, ist Vertrauter von Björn Höcke. Beide kommen aus dem Landesverband Thüringen und gehören dem radikalen völkischen Flügel der Partei an.

Selbst für AfD-Verhältnisse produziert Brandner auffallend viele Eklats. 2019 wurde er nach einer Entgleisung auf Social Media als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgewählt, in diesem Oktober hob der Bundestag Brandners Immunität auf, um strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn möglich zu machen. Es geht unter anderem um einen mutmaßlichen Hitlergruß.

Weshalb verwenden Brandner und andere AfD-Abgeordnete derart viel Energie darauf, die Amadeu Antonio Stiftung in ein schlechtes Licht zu rücken? Der SPD-Abgeordnete Felix Döhring äußert eine Vermutung: Die Stiftung habe schon „sehr früh und sehr klar herausgearbeitet“, was der Verfassungsschutz erst in diesem Jahr bestätigt habe – nämlich, dass es sich bei der AfD um eine gesichert rechtsextreme Partei handle. Alle geförderten Projekte seien öffentlich einsehbar, fachlich geprüft und wissenschaftlich evaluiert. Deshalb müsse man verhindern, dass die AfD ständig versuche, die demokratische Zivilgesellschaft in Misskredit zu bringen.

Ist die Stiftung bloß ein Symbol?

Der AfD gehe es mit ihrem Antrag nicht darum, Geld zu sparen, sondern lediglich darum, zivilgesellschaftliche Strukturen anzugreifen und zu vernichten, sagt die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. Dahinter stecke eine Strategie: Die AfD wolle unliebsame Bildungsarbeit delegitimieren und wichtige Stimmen zum Schweigen bringen. „Ich erwarte, dass Initiativen, die solchen Angriffen ausgesetzt sind, entschieden von allen Demokraten verteidigt werden“, sagt Bünger.

Die angegriffene Stiftung sei an dieser Stelle lediglich ein Symbol, sagt auch die Grünen-Abgeordnete Misbah Khan. Die AAS stehe stellvertretend für alle Organisationen, die sich in der Bundesrepublik für Demokratie einsetzten. Die AfD wisse, dass sie nur durch Spaltung an die Macht gelangen könne: „Sie lebt von den Feindbildern, die sie in einer erschreckenden Effizienz produziert.”

Timo Reinfrank, der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, hat die Debatte von der Besuchertribüne aus verfolgt. Dem Tagesspiegel sagt er, es sei ermutigend zu sehen, dass die demokratischen Parteien an diesem Abend „geschlossen und sachlich für die Bedeutung einer starken Zivilgesellschaft eingetreten“ seien.

Dieses klare Bekenntnis sei ein wichtiges Signal für alle, die sich in Deutschland für Demokratie engagierten, sagt Reinfrank. Zudem werde die Stiftung nun juristisch „prüfen, wie wir gegen einzelne falsche und rufschädigende Aussagen aus der Debatte und Veröffentlichungen der AfD-Fraktion rechtlich vorgehen können.“

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