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Eine der Scheiben des Cafes „Bajszel“ zeigt die durch einen Steinwurf verursachten Risse. Die Kulturkneipe in Neukölln hat sich öffentlich gegen Antisemitismus positioniert und war zum wiederholten Mal das Ziel von Angriffen.

© dpa/Soeren Stache

Antisemitismus in Deutschland: Drastischer Anstieg judenfeindlicher Vorfälle in Sachsen und NRW

In Sachsen gab es im vergangenen Jahr nahezu jeden Tag einen antisemitischen Vorfall. Vor allem Angriffe auf Gedenkorte häuften sich. Die Lage verschärft sich seit dem Hamas-Angriff auf Israel immer mehr.

Stand:

Die Zahl antisemitischer Vorfälle ist laut den Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus in Sachsen und NRW im vergangenen Jahr rasant angestiegen.

In Nordrhein-Westfalen wurden 2024 insgesamt 940 judenfeindliche Vorfälle erfasst. Das ist eine Steigerung um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus dem am Mittwoch in Düsseldorf vorgestellten Jahresbericht der Rias-Meldestelle NRW hervorgeht.

In Sachsen seien 2024 insgesamt 349 antisemitische Vorfälle dokumentiert worden, sagte Marina Chernivisky vom Trägerverein der Rias-Meldestelle Sachsen am Mittwoch in Dresden. Das seien fast doppelt so viele Fälle wie im Vorjahr. 2023 waren 192 Vorkommnisse bekannt geworden.

Die Auswertung erfasst Angriffe, Bedrohungen und Sachbeschädigungen ebenso wie verletzendes Verhalten. Es kann sich auch um Vorfälle handeln, die unterhalb der Schwelle zur Strafbarkeit liegen. Neben den registrierten Fällen sei von einem hohen Dunkelfeld auszugehen, hieß es in dem Bericht aus Düsseldorf.

Nahezu jeden Tag ein antisemitischer Vorfall in Sachsen

Unter allen Fällen dokumentierte Rias Sachsen im vergangenen Jahr 40 Gewalttaten, darunter 16 körperliche Angriffe, acht Bedrohungen und 16 gezielte Sachbeschädigungen, wie etwa die Beschädigung oder Entfernung jüdischen Eigentums, etwa an Wohnhäusern oder Mahnmalen wie Stolpersteinen.

66 Vorfälle enthielten laut Rias lebensbedrohliche Inhalte, darunter waren zum Beispiel Schmierereien, die offen zum Töten von Jüdinnen und Juden aufriefen. An Bildungseinrichtungen erfasste die Meldestelle 49 antisemitische Vorfälle, davon allein 28 Vorfälle an sächsischen Hochschulen.

Dazu zählen antisemitische Versammlungen auf Universitätsgelände, wie die „Protestcamps“. Es habe aber auch körperliche Angriffe auf Kommilitoninnen und Kommilitonen gegeben. Die Dunkelfelder seien aber noch nicht ausgeleuchtet, sagte Chernivisky. 2023 waren es laut Rias Sachsen 25 Gewalttaten.

Vor dem Terrorangriff der palästinensischen Hamas am 7. Oktober 2023 in Israel seien etwa neun antisemitische Vorfälle pro Monat registriert worden, danach waren es laut Rias 36 Fälle. Inzwischen gebe es nahezu täglich einen antisemitischen Vorfall in Sachsen.

Israel-Kritik als Anlass in NRW

Die meisten der gemeldeten Fälle in Nordrhein-Westfalen ereigneten sich den Angaben zufolge im öffentlichen Raum. „Antisemitismus ist – so tragisch und traurig das ist – in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt“, sagte NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne). Der Geschäftsführer des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe, Alexander Sperling, berichtete, dass unbeschwertes jüdisches Leben momentan fast nur noch in geschützten Räumen möglich sei.

Dem Bericht zufolge war in den meisten Fällen der Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen der vordergründige Anlass für Antisemitismus. Meldestellenleiter Jörg Rensmann verwies auf die Zahlen von 2022 mit 263 erfassten Fällen.

519 Vorfälle werden im Bericht unter israelbezogenem Antisemitismus geführt. Deutlich zugenommen haben laut Rendsmann auch gezielte Angriffe auf Gedenkorte für jüdische Opfer des Nationalsozialismus.

„Für mich persönlich sind diese Zahlen erschreckend und schwer erträglich“, sagte Ministerin Paul. Die Landesregierung habe die Verantwortung, die Sicherheit von Jüdinnen und Juden zu gewährleisten.

Antisemitismus-Meldestellen gibt es in mehreren Bundesländern. In NRW nahm sie im April 2022 ihre Arbeit auf. Nächste Woche stellt der Rias-Bundesverband seine deutschlandweiten Ergebnisse vor. (epd, KNA)

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