zum Hauptinhalt
Holger Stahlknecht (CDU), Innenminister von Sachsen-Anhalt, steht nach missverständlichen Äußerungen stark in der Kritik.

© Hendrik Schmidt/dpa

Antisemitismusvorwürfe gegen Stahlknecht: Das hätte dem Innenminister nicht passieren dürfen

Sachsen-Anhalts Innenminister wird wegen Äußerungen über die Bewachung jüdischer Einrichtungen vom Zentralrat kritisiert. Zu Recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Natürlich, jetzt fühlt er sich missverstanden, Holger Stahlknecht, Sachsen-Anhalts Innenminister. Er und Antisemitismus? Nicht doch! Und das kann auch sein.

Aber was auch nicht sein kann, ist, in diesen Zeiten, in denen Antisemitismus und Rechtsextremismus erschreckend grassieren, so missverständlich zu formulieren.

Der Konservative Stahlknecht hatte bei einem Besuch des Polizeireviers Dessau-Roßlau auch zur Bewachung jüdischer Einrichtungen Stellung genommen. Vorher war zur Sprache gekommen, dass das Revier deshalb 1500 zusätzliche Arbeitsstunden leiste; der Minister meinte darauf laut „Mitteldeutscher Zeitung“, dass diese Arbeitsstunden woanders fehlten. Es könne sein, dass die Polizei daher nicht bei jeder Anforderung pünktlich zur Stelle sei.

Dass der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, Stahlknecht deshalb angreift, darf niemanden verwundern. Antisemitismus, Rechtsradikalismus, Rassismus sind ja keine Besonderheiten Sachsen-Anhalts oder eines einzelnen Standorts.

Vielmehr trägt die Situation in ganz Deutschland nicht gerade dazu bei, über solche Einlassungen den Mantel des Schweigens zu breiten; der nationale Lagebericht zu Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden tut ein Übriges.

Der Zentralratspräsident stellt Stahlknechts Eignung fürs Amt in Frage – das geht zu weit

Stahlknecht hat mindestens anfänglich gar nicht gemerkt hat, dass seine Äußerungen antisemitische Narrative stärken könnten. Rasend schnell kann nämlich übers Netz dem Eindruck Vorschub geleistet werden, Juden seien schuld daran, wenn sich die Polizei um die Belange der übrigen Bevölkerung nicht mehr angemessen kümmern könne.

Ja, Schuster geht noch weiter, spricht davon, dass Stahlknecht Juden als privilegiert darstelle und sie  gegen andere Bevölkerungsgruppen ausspiele, und er fragt dann sich und andere, ob der Minister für sein Amt noch geeignet sei.

Damit wiederum geht der Zentralratschef, bei allem Verständnis für Entrüstung, allerdings dann doch ein Stück zu weit.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Stahlknecht ist schließlich zu glauben, dass er immerhin das weiß: Die – erhöhte – Polizeipräsenz zum Schutz der jüdischen Einrichtungen ist gerade in Sachsen-Anhalt, gerade nach dem Anschlag von Halle vor etwa einem Jahr, unabdingbar.

Er hat diese Präsenz selbst angeordnet. Da kann es auch schon mal sein, dass andere Aufgaben zurückstehen; das ist eine Folge der Entscheidung, was vorrangig ist. Umso wichtiger wird, genau zu erklären, warum was wie nötig ist. Nur keine Missverständnisse: Das ist die Verantwortung der Politiker. Dieser Herausforderung sehen sie sich gegenüber, der müssen sie sich stellen. Wie der Kritik, wenn das misslingt. Aber daraus lässt sich ja lernen. Über Sachsen-Anhalt hinaus.

Zur Startseite