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Antwort auf die 551 Fragen der Union : Bundesregierung sieht keine „Schattenstruktur“ durch staatlich geförderte NGOs
Müssen staatlich geförderte NGOs politisch neutral sein? Mit 551 Fragen an die rot-grüne Bundesregierung hatte die Union viele empört. Nun hat das Bundesfinanzministerium geantwortet.
Stand:
Nach dem großen Wirbel um die Kleine Anfrage der Unionsfraktion zur politischen Neutralität von staatlichen geförderten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) hat die scheidende rot-grüne Bundesregierung geantwortet, die Union aber weitgehend im Unklaren gelassen. In dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums widersprechen die Beamten der Auffassung der Union, wonach die geförderten NGOs eine „Schattenstruktur“ bildeten.
Auch, dass staatlich geförderte NGOs politisch neutral sein müssen, hält die Bundesregierung für unzutreffend. „Der freiheitliche demokratische Verfassungsstaat lebt von zivilgesellschaftlichem Engagement für ein friedliches und respektvolles Zusammenleben und dem Einsatz gegen menschen- und demokratiefeindliche Phänomene“, heißt es in der Antwort.
Der Staat sei dafür verantwortlich, im Rahmen einer wehrhaften Demokratie für den Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten. Dazu zähle auch die Förderung solchen Engagements.
„Bild“ und „Welt“ haben das Schreiben vom Dienstag vollständig und teilweise veröffentlicht. Zuerst hatte „Business Insider“ berichtet. Die Frist für eine Antwort der Bundesregierung war bereits am Montag abgelaufen.
Mehr als 6,4 Millionen Euro Förderung
Das Dokument offenbart außerdem Zahlen zur Finanzierung der 16 abgefragten NGOs, diese sind aber nicht vollständig. Demnach erhalten sechs der 16 abgefragten Organisationen im Förderjahr 2025 mehr als 6,4 Millionen Euro Staatsgelder, zu zehn NGOs hat das Ministerium keine Angaben gemacht. Am meisten Geld bekommt die Amadeu Antonio Stiftung. Rund 2,6 Millionen Euro fließen 2025 an die Organisation, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzt.
Die Umweltschutzorganisation Bund E.V. fördert der Staat indes mit 1,4 Millionen Euro, die Umweltschutzhilfe mit einer Million Euro, die Neuen Deutschen Medienmacher*innen mit 840.000 Euro und das Medienunternehmen Correctiv mit 208.000.
Im Fokus der Berichterstattung hatten auch die Omas gegen Rechts und das Online-Kampagnen-Portal Campact gestanden. Zu beiden Organisationen machte das Ministerium jedoch keine Angaben.
Dass die Antworten zu einem großen Teil lückenhaft blieben, begründet das Finanzministerium teils mit der Zuständigkeit der Länder, teils mit dem politischen Neutralitätsgebot der Regierung und teils mit einem zu hohen Rechercheaufwand.
Mit der Kleinen Anfrage im Umfang von 551 Fragen an die scheidende rot-grüne Bundesregierung hatte die Unionsfraktion zuletzt eine heftige Debatte ausgelöst. Detailliert aufgeschlüsselt wollten CDU und CSU etwa wissen, in welchem Umfang bestimmte staatlich geförderte Nichtregierungsorganisationen finanziert werden, ob sie aus Sicht der Bundesregierung ausschließlich gemeinnützige Zwecke erfüllen und in welchen Verbindungen sie zu gewissen politischen Akteuren und Parteien stehen.
Hintergrund der Kleinen Anfrage war, dass einige Organisationen, die Geld vom Fiskus bekommen, zu Demonstrationen gegen rechts aufgerufen hatten. Auslöser dafür war die von der Union initiierte Asylkurs-Abstimmung im Bundestag Ende Januar, als sie bewusst auf die Stimmen der AfD setzte, um etwa pauschale Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen durchzusetzen.
Viele Vertreterinnen und Vertreter von NGOs und Parteien links der Mitte sahen in der Kleinen Anfrage der Union einen Angriff auf die Zivilgesellschaft und sprachen von einem Einschüchterungsversuch. Auch mehr als 1700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kritisierten die Union dafür in einem offenen Brief, beklagten etwa einen „konfrontativen Unterton“.
Union pocht auf politische Neutralität
Die Unionsfraktion argumentierte hingegen, dass staatlich finanzierte Organisationen politisch neutral sein müssten. Dabei bezieht sich die Partei vor allem auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs von 2019.
Das Gericht befand seinerzeit, dass dem Anti-Globalisierungsnetzwerk Attac die Steuervorteile, von denen gemeinnützige Organisationen profitieren, nicht zustehen. Die Organisation ziele mit ihren Aktivitäten darauf ab, die öffentliche Meinung im Sinne der eigenen Auffassungen zu beeinflussen, hieß es. Das sei mit Gemeinnützigkeit nicht vereinbar. Derzeit liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht.
Die Wissenschaftler widersprachen dagegen der Auffassung, dass staatlich geförderte Organisationen politisch neutral sein müssten. Die Neutralitätspflicht des Staates beziehe sich auf staatliches Handeln und gelte nicht für unabhängige zivilgesellschaftliche Akteure, hieß es.
Derweil haben auch einzelne Landtagsfraktionen der CDU Anfragen zur politischen Neutralität von staatlich geförderten NGOs gestellt. In Mecklenburg-Vorpommern etwa will der Abgeordnete Marc Reinhardt wissen, welche gemeinnützigen Körperschaften zwischen den Jahren 2021 und 2025 mit Landesmitteln gefördert worden sind, wie aus einer Kleinen Anfrage an die Schweriner Landesregierung von Ende Februar hervorgeht.
Reinhardt fragt gezielt nach denen, „die im weitesten Sinne im Bereich der politischen Bildung, der Demokratieförderung oder der politischen bzw. vorpolitischen Meinungsbildung tätig sind“. Zuerst hatte die „taz“ darüber berichtet.
Eine Umfrage der Zeitung unter verschiedenen CDU-Fraktionen in den Ländern habe zudem ergeben, dass auch die CDU-Fraktion Fraktion im Saarland eine ähnliche Anfrage auf den Weg gebracht habe. Details habe die Saar-Fraktion aber noch nicht mitteilen wollen.
Sächsische CDU-Abgeordnete nimmt „Buntes Meißen“ ins Visier
In Sachsen hat die CDU-Landtagsabgeordnete Daniela Kuge eine Anfrage zum Verein „Buntes Meißen“ gestellt. Die Politikerin, die aus der Kreisstadt kommt, fordert von der Landesregierung in Dresden eine Antwort darauf, wie hoch die finanzielle Förderung an den Verein seit dessen Gründung ausgefallen ist und welche Maßnahmen konkret gefördert worden sind.
Bemerkenswert ist dabei, dass Kuge ein engeres Verhältnis zum Meißener AfD-Stadtrat Rene Jurisch pflegen soll. Der wiederum war einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ zufolge einst Mitglied der rechtsextremen NPD und wetterte auf seinem Facebook-Profil zuletzt gegen eine angebliche „Selbstbedienungsmentalität“ beim Verein „Buntes Meißen“.
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