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Riad Farid Hedschab. Der neue Ministerpräsident gilt als Hardliner.

© AFP

Update

Aufstand in Syrien: Assad ernennt neuen Regierungschef - Bombe in Damaskus

Syriens Präsident Assad hat einen Hardliner zum neuen Regierungschef gemacht. Unterdessen gehen die Kämpfe zwischen Aufständischen und Regierungstruppen weiter. In Damaskus explodierte eine Bombe.

Syriens Präsident Baschar al-Assad lässt sich von seinem kompromisslosen Kurs nicht abbringen, obwohl inzwischen auch in den Reihen der Regimetruppen die Zahl der Opfer steigt. Am Mittwoch ernannte Assad den früheren Landwirtschaftsminister Riad Farid Hedschab zum neuen Regierungschef. Hedschab ist Mitglied der Baath-Partei, mit der die Assad-Familie einst an die Macht gekommen war. Der neue Ministerpräsident, 1966 in der Provinz Deir as-Saur geboren, gilt als „Falke“.

Vor seiner Zeit als Minister diente der ehemalige Studentenführer als Provinzgouverneur. Die syrische Verfassung sieht vor, dass der Präsident nach einer Parlamentswahl einen neuen Regierungschef bestimmt. Die Syrer hatten am 7. Mai ein neues Parlament gewählt. Es war die erste Wahl seit der Abschaffung der Monopolstellung der Baath-Partei durch die neue Verfassung. Die Regimegegner hatten die Wahl boykottiert.

Bilder des Bürgerkriegs in Syrien:

Vor einer Einrichtung des Militärs in der syrischen Hauptstadt Damaskus ist am Mittwoch nach Angaben von Anwohnern ein Sprengsatz explodiert. Aktivisten meldeten, die Bombe sei im Viertel Rukn al-Din detoniert. Eine Anwohnerin sagte, durch die Explosion der Autobombe seien 13 Menschen ums Leben gekommen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana stellte den Vorfall komplett anders da. Nach ihren Angaben war die Explosion die Folge eines Unfalls in einer Bombenwerkstatt von Terroristen in dem Viertel. Es habe nur einen Verletzten gegeben.

Durch einen ähnlichen Unfall sei in der Provinz Damaskus-Land ein Mädchen ums Leben gekommen. Im Umland von Damaskus hätten die Regimegegner zudem einen Brigadegeneral und zwei Angehörige der Ordnungspolizei getötet.

Aktivisten berichteten am Mittwoch erneut von heftigen Angriffen der Regimetruppen auf Al-Haffa in der Provinz Latakia. Dabei seien Hubschrauber, Panzer und Raketen eingesetzt worden. Laut Sana wurden dort zwei Angehörige der Sicherheitskräfte erschossen. Am Mittwoch zählten die Regimegegner bis zum Nachmittag 22 Todesopfer, darunter zwei Deserteure. Die meisten Opfer habe es in Latakia gegeben, meldeten die sogenannten Revolutionskomitees.

Die Regierung in Damaskus erklärte am Dienstag die diplomatischen Vertreter aus den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, dem Nachbarn Türkei und einem Dutzend anderer Länder zu unerwünschten Personen. Gleichzeitig begannen Regierungstruppen nach schweren Verlusten in mehreren Regionen des Landes mit neuen Offensiven gegen die bewaffnete Opposition. Trotz ihrer Erfolge auf dem Schlachtfeld taten sich bei den syrischen Regimegegnern neue Risse auf. US-Außenministerin Hillary Clinton, Bundesaußenminister Guido Westerwelle und andere Spitzenpolitiker wollen an diesem Mittwoch in Istanbul über die Lage in Syrien beraten.

Von der Erklärung der syrischen Regierung sind mindestens 18 Diplomaten betroffen, die sich allerdings nicht mehr in Damaskus aufhalten. Aus Protest gegen das Massaker von Hula hatten mehrere westliche Länder, darunter Deutschland, Ende Mai die syrischen Botschafter ausgewiesen. Angesichts der Gewalt und der unsicheren Lage in Syrien wurden in den vergangenen Monaten schon zahlreiche westliche Diplomaten aus Syrien abgezogen.

Die Aufständischen sind untereinander zerstritten.

Regierungsgegner in Syrien berichteten am Dienstag, bei Gefechten seien fast 80 Soldaten der Regierungstruppen getötet worden; die Rebellentruppe Freie Syrische Armee (FSA) hatte zuvor den Friedensplan von Vermittler Kofi Annan für gescheitert erklärt und angekündigt, die Assad-Truppen stärker als bisher zu bekämpfen. Der von Annan ausgehandelte Waffenstillstand war bereits vorher größtenteils zusammengebrochen. Am Dienstag berichteten Aktivisten über erneute Bombardements und den Einsatz schwerer Waffen durch das Regime in mehreren Regionen des Landes.

Neben der FSA will auch die neu gegründete Rebellengruppe „Syrische Rebellenfront“ gegen Assad kämpfen. Die „Rebellenfront“ hat nach eigenen Angaben etwa 12 000 Mann unter Waffen; einige Sprecher der Gruppe erklärten, Hauptziel sei die Stärkung islamistischer Kämpfer in Syrien. Die Finanzierung der Organisation ist unklar; in Oppositionskreisen wurde am Dienstag gemutmaßt, die „Rebellenfront“ werde möglicherweise von reichen Privatpersonen unterstützt.

Das Verhältnis zwischen der „Rebellenfront“ und der international anerkannten Dachorganisation Syrischer Nationalrat (SNC) ist ebenfalls ungeklärt. Obwohl einige SNC-Mitglieder an der Gründungsversammlung der „Rebellenfront“ in Istanbul teilnahmen, erklärte die Dachorganisation, sie habe keinerlei Verbindungen mit der neuen Organisation.

Bilder des Bürgerkriegs in Syrien:

Ein SNC-Mitglied in Istanbul sagte dem Tagesspiegel, die „Rebellenfront“ sei weit von den pluralistischen und demokratischen Grundwerten des Dachverbandes entfernt und stelle lediglich eine „Medienveranstaltung“ einiger syrischer Clans dar, die ihren Einfluss ausweiten wollten. Auf die Zahl von 12 000 Kämpfern angesprochen, sagte der SNC-Mann: „Das kann man getrost vergessen, das ist eine große Lüge.“ Ein anderes SNC-Mitglied in der Türkei sagte dagegen, die „Rebellenfront“ wolle Assad-feindliche Gruppen vereinigen und betrachte sich als Teil der FSA. Allerdings habe die FSA keine Befehlsgewalt über die „Rebellenfront“.

Die Gründung der „Rebellenfront” zeugt vom wachsenden Druck auf die zivile Vertretung der syrischen Exil-Opposition. Nach Angaben von Diplomaten werfen Oppositionskräfte in Syrien dem SNC vor, nichts gegen die anhaltende Gewalt des Regimes zu unternehmen.

Der SNC wird seit seiner Bildung im vergangenen Jahr von tiefen inneren Zerwürfnissen geplagt. Nach dem kürzlichen Rücktritt von SNC-Chef Buhan Ghalioun wollen die Assad-Gegner am kommenden Wochenende einen neuen Oppositionschef wählen. Als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge von Ghalioun gilt Abdelbasit Sida, ein syrischer Kurde, wie aus SNC-Kreisen verlautete.

Die wachsende Gewalt in Syrien und die Lähmung des UN-Sicherheitsrates erschweren die Suche nach einer politischen Lösung. Bundesaußenminister Westerwelle setzt dennoch weiter auf die Umsetzung des Annan-Plans, der eine Beendigung der Kämpfe und demokratische Reformen vorsieht.

An diesem Mittwoch trifft sich Westerwelle in Istanbul mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu, US-Ressortchefin Clinton und anderen Spitzenpolitikern zu einer Lagebesprechung zum Thema Syrien. Während alle maßgeblichen westlichen Staaten den Rücktritt von Assad und einen demokratischen Übergang fordern, sind die Meinungen über einen möglichen Militäreinsatz zugunsten der Opposition geteilt. Die Außenminister reisen nach Istanbul, um am Donnerstag an einer Konferenz zur Terrorbekämpfung teilzunehmen. (mit dpa)

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