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Die beiden Reaktorblöcke B und C in Gundremmingen sind 1984 ans Netz gegangen. Einer soll Ende des Jahres stillgelegt werden, der zweite soll noch bis Ende 2021 laufen dürfen.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Atomenergie: Atomkraftwerk Gundremmingen nicht sicher

Die Schlagzeile „Kernschmelze nicht auszuschließen“ ist zwar etwas kühn hergeleitet. Aber der Atomexperte Manfred Mertins kommt zu dem Schluss, dass „die notwendigen Voraussetzungen zur Störfallbeherrschung in Gundremmingen nicht gegeben“ seien.

Im vergangenen Sommer haben die Bundestagsfraktion und die bayerische Landtagsfraktion der Grünen bei dem angesehenen Atomexperten Professor Manfred Mertins ein Gutachten in Auftrag gegeben, das sich mit der Sicherheit der letzten beiden Siedewasserreaktoren in Deutschland befassen sollte. Der Kernaussage aus dem 93 Seiten langen Mertins-Gutachten schließt sich auch Lothar Hahn an. Der frühere Chef der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), bei der auch Mertins vor seiner Pensionierung gearbeitet hat, hat das Gutachten im Auftrag der Grünen einem Peer Review unterzogen. Er hat also überprüft, ob das Mertins-Gutachten wissenschaftlichen Maßstäben genügt und er seine Bewertungen plausibel belegt hat. Er hat, schreibt Lothar Hahn in seiner aktuell vorgelegten Stellungnahme. Er schließe sich der Kernaussage ausdrücklich an.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht schon vor Jahren entschieden, dass „diejenige Vorsorge gegen Schäden getroffen werden (muss), die nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen für erforderlich gehalten wird.“ Lasse sich das „technisch noch nicht verwirklichen, darf die Genehmigung nicht erteilt werden; die erforderliche Vorsorge wird mithin nicht durch das technisch gegenwärtig Machbare begrenzt“.  Doch die im Atomgesetz festgelegte Laufzeit des Reaktors Gundremmingen B endet am 31. Dezember 2017. Der Nachbarblock C hat noch eine Genehmigung bis zum 31. Dezember 2021.

Im August 2016 haben die Grünen Manfred Mertins beauftragt, ein Sicherheitsgutachten des Bundesumweltministeriums (BMUB) zu den beiden Kraftwerksblöcken B und C in Gundremmingen auf seine Plausibilität zu überprüfen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob ein in den 1990er Jahren eingebautes „Zusätzliches Nachwärmeabfuhrsystem“ (Zuna), das „hypothetische Notfälle“ beherrschen helfen soll, als vollständiges Not-System zu bewerten ist. In dem Gutachten für das BMUB wird der Versuch gemacht, nachzuweisen, dass Zuna als viertes Notfallsicherheitssystem zu bewerten wäre. Allerdings wird im Gutachten mehrfach auf Wissenslücken hingewiesen.

Das Problem mit Zuna: Es kann nicht ein den Sicherheitsanforderungen entsprechendes Notkühlsystem ersetzen. Da das Akw Gundremmingen nur zwei Notfall-Sicherheitssysteme hat, die auch erdbebensicher sind, ist das eines zu wenig. Für die Grünen ist es deshalb ganz klar, was jetzt passieren muss: „Das Akw muss unverzüglich stillgelegt werden.“ Das fordert auch die Anti-Akw-Bewegung. Die Atomaufsicht in Bayern und die Bundes-Atomaufsicht sind jedoch nicht überzeugt.

Ob die Atomaufsichtsbehörden sich von der Argumentation der Gutachter Mertins und Hahn überzeugen lassen, ist offen. Beide sind sich aber einig, dass für die Bewertung des Systems Zuna als vollwertiges Notfallsystem die „Nachweise“ fehlen, und die Basis für diese Einstufung auf „Vermutungen und  fehlenden Kenntnissen“ fußt. Sie sei nicht überprüfbar und damit auch nicht belastbar. Im BMUB-Gutachten würden „nicht bestimmte Begriffe“ verwendet, und vor allem fehlten die Bewertungsmaßstäbe.

Das Atomkraftwerk Gundremmingen liegt am Donau-Kilometer 2551 im Landkreis Günzburg, nicht weit von Ulm entfernt. Es ist 1974 beantragt worden. Die beiden Kraftwerksblöcke B und C sind im Mai und November 1984 ans Netz gegangen. Sie haben eine Leistung von 2572 Megawatt. Die Beiden Meiler gehören zu 75 Prozent RWE und zu 25 Prozent Preussen-Electra, dem Nachfolge-Unternehmen von Eon.

Das Gebiet ist auf den Risikokarten des Geoforschungszentrums Potsdam in die Kategorie eins eingestuft. Im Jahr 1982 vermerkt die Erdbebenkarte Bayern ein Erdbeben mit einer Stärke von 3,8. Das Risiko für die Sicherheit der beiden Siedewasserreaktoren ergibt sich daraus, dass nur ein Teil der Notfallsysteme auf Erdbeben ausgelegt ist. Im Falle eines Erdbebens könnten sie teilweise ausfallen. Auch dann müssen genügend redundante Sicherheitssysteme funktionsfähig sein, um Notfälle sicher managen zu können. Aus der Reaktorkatastrophe in Fukushima, die sich in wenigen Tagen zum sechsten Mal jährt, haben die Aufsichtsbehörden und die Akw-Betreiber vor allem gelernt, dass die Notstromversorgung jederzeit gesichert sein muss. Ist sie im Erdbebengebiet nicht auf solche ausgelegt, ist das ein Sicherheitsrisiko. Genau das ist in Gundremmingen der Fall.

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