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Politik: Auf eigenen Wegen

US-Raketenabwehr: Regierung beschwört Geschlossenheit – Experte sieht bei SPD „Absetzbewegungen“

Von
  • Hans Monath
  • Michael Schmidt

Stand:

Berlin - Die größte Leistung eines Regierungssprechers besteht manchmal darin, ein öffentliches Urteil zu vermeiden. Die Bundesregierung vertrete gegenüber der geplanten US-Raketenabwehr eine geschlossene Haltung, versicherte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag. Der richtige Ort zur Klärung offener Fragen in Zusammenhang mit dem Projekt sei die Nato. Die Radikalabsage von SPD-Chef Kurt Beck an das Abwehrprogramm, die sich mit der Haltung der Kanzlerin schlecht verträgt, wollte Wilhelm nicht kommentieren. „Ich werde hier keine Bewertung vornehmen“, erklärte er: „Ich bitte um Verständnis dafür.“

Tatsächlich verfolgt die Union mit Sorge, mit welchem Eifer Kurt Beck und SPD-Generalsekretär Hubertus Heil die Raketenfrage zuspitzen, obwohl die Bundesregierung im Moment gar nicht vor einer Entscheidung steht. „Die SPD betreibt die Wiederauferstehung des Friedensthemas“, heißt es in der Unionsfraktion in Anspielung auf die scharfe Kritik des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder an den Vorbereitungen der USA zum Irakkrieg. Im Herbst 2002 sicherte sich Schröder damals mit seinem populären Friedenskurs den schon verloren geglaubten Wahlsieg. Aber nicht um den nächsten Wahlkampf, sondern um die Handlungsfähigkeit der Regierung jetzt machen sich Unionsstrategen Gedanken. „Es kann da eine schwierige Situation zwischen Kurt Beck und Frank-Walter Steinmeier entstehen, bei der der Außenminister unter Druck gerät“, lautet die Erwartung.

Der Außenminister hatte am Wochenende ebenfalls vor neuem Wettrüsten und einer Spaltung Europas gewarnt. Am Montag in Washington nannte er die Raketenabwehrpläne jedoch „legitim“ und distanzierte sich von der Kritik an Amerika. Steinmeiers Umfeld sieht ihn dennoch weniger in der Raketenfrage unter Druck der eigenen Partei. Als brisanter gilt der wachsende Unmut der SPD-Basis gegen den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr und die Entscheidung des Bundestages, sechs Tornados zu entsenden.

Richard Hilmer, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Infratest- Dimap, sieht denn auch in Becks Nein zur Raketenabwehr ein beschwichtigendes Signal in Richtung der Basis. Darüber hinaus aber diagnostiziert er „innerkoalitionäre Absetzbewegungen“ und den Versuch, sich mit Blick auf die nächsten Wahlen programmatisch zu positionieren und „das eigene Profil zu schärfen durch eine Rückbesinnung auf traditionelle Wählerschichten“. Und zwar zum einen in Richtung Koalitionspartner, „nachdem man sich zuletzt sehr aufeinander zu bewegt hat: die Union bei der Familie, die SPD bei der Unternehmensteuerreform“. Zum anderen in Richtung Linkspartei, „um die nicht allzu weit davon marschieren zu lassen bei dem Versuch, alte SPD-Programmpunkte aufzunehmen“.

Hilmer sieht die SPD zudem vor der schwierigen Aufgabe, „personell erfahrbar“ zu sein. Als Partei, die die Kanzlerin stelle, sei die CDU in der Außendarstellung „strukturell immer im Vorteil“.

Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, bezweifelt, dass sich das Thema Raketenabwehr dazu eigne. Die SPD schwächele bundesweit und sei in Ländern und Kommunen kaum mehr verankert. „Wenn man der Partei etwas raten sollte, dann, sich zu fragen, wie sie eine Renaissance von unten bewerkstelligen kann.“ Die SPD müsse wieder „Kümmerpartei“ werden: „Die Menschen brauchen das Gefühl: Die Partei nimmt mich ernst, sie kümmert sich um meine Sorgen und Nöte.“ Verloren gegangenes Vertrauen in die Repräsentanten der SPD aber, sagt Güllner, lasse sich nicht durch „Überbauthemen wie die Raketenabwehr“ zurückgewinnen.

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