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Aufgaben für eine schwarz-rote Koalition: Klimaschutz muss Teil der Verteidigungsstrategie sein
Die künftige schwarz-rote Koalition kann in Sachen Klimaschutz loslegen – wenn sie denn will. Das ist keineswegs sicher. Es hängt auch an der Bereitschaft, die Klimakrise als Bedrohung für unsere Sicherheit anzuerkennen.

Stand:
Aktivismus wirkt – und in der Regel dann, wenn man nicht damit rechnet. 100 Milliarden Euro sollen bis 2037 für den Klimaschutz bereitgestellt werden.
Wird Deutschland jetzt in die Klimaneutralität tanzen? Nun ja. Die künftige schwarz-rote Koalition kann in Sachen Klimaschutz loslegen – wenn sie will. Das ist aber alles andere als sicher.
Die CDU wirbt für Klimaschutz durch Innovationen und CO₂-Bepreisung. So weit, so gut. Eine tragende Klimainnovation – Windräder – bezeichnete Friedrich Merz im Wahlkampf aber noch als „hässlich“. Als ginge es in der Energiewende nicht um Existenzfragen, sondern um Geschmacksfragen.
Hier wird es in den nächsten Jahren heikel. Sollten der Unernst und die Unwissenheit in die Innovationspolitik einziehen, drohen die Klimamilliarden massenhaft in leere Lobbyinitiativen gesteckt zu werden. Für Flugtaxis statt für den ÖPNV, für die Wasserstofflobby und ihre Märchen von grünem Gas in unseren Heizungen statt für bezahlbare E-Autos, für „Klimaautobahnen“ statt für Wald- und Moorschutz.
Wenig Hoffnung macht die Erfahrung, dass die Union sich personell deutlich näher an fossilen Lobbys als an ökologischer Fachkompetenz bewegt. Zuletzt forderte der CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß eine Wiederinbetriebnahme der Ostseepipeline Nord Stream 2, der CSU-Abgeordnete und ehemalige Bauernverbandschef Günther Felßner behauptete, der Verzehr von Fleisch sei gut fürs Klima.
Solange Klima kein Teil der deutschen Verteidigungsstrategie ist, droht eine Energiepolitik, die auf die Abhängigkeit vom Gas gereizter Autokraten statt massiv auf Erneuerbare setzt.
Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin
Ob die künftige Regierung sich von dem eigenen fossilen Drall befreien kann, wird an der Beratungsbereitschaft der Union hängen – und am ökologischen Druck der SPD und aller anderen.
Beim CO₂-Preis könnte es ebenfalls brenzlig werden. Wer Politik durch einen steigenden CO₂-Preis machen möchte, sodass fossiles Heizen oder Tanken teurer wirdn, der muss Menschen Möglichkeiten bieten, dem Preisdruck zu folgen. Das heißt: Wärmepumpen, Fernwärmenetze, E-Autos, flächendeckender ÖPNV.
Dafür braucht es Subventionsprogramme. 15 Milliarden Euro wurden von der Ampelkoalition jährlich bereitgestellt, um Wärmepumpen und Sanierungen zu fördern. Die Union sieht diese Förderungen kritisch. Die Kaufanreize für E-Autos sind zuletzt schon gestrichen worden, in Sachen 49-Euro-Ticket war die Union bisher weniger enthusiastisch.
Wer in Koalitionsverhandlungen sagt, Marktmechanismen „Ja, bitte“, sich in der Praxis aber wegduckt – der sorgt dafür, dass Menschen zwar weiter fossil leben, aber dafür mehr zahlen müssen, als sie können.
Ein Klimageld würde helfen
Was Abhilfe schaffen könnte, wäre ein Klimageld, mit dem die Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung an die Bürger:innen zurück verteilt würden. Statt so sozial zu entlasten, plant die Union mit eben diesen Einnahmen allerdings die Stromsteuer zu senken, eine Maßnahme, von der zunächst die größten Unternehmen profitieren.
Einseitige Klimamaßnahmen laufen Gefahr, gesellschaftlichen Zuspruch für Klima zu verspielen.
Es sollte auch für ein Kabinett Merz zumutbar sein, Sicherheit im 21. Jahrhundert ein My komplexer zu denken als Artillerie und Außengrenzen.
Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin
Zusätzlich muss man befürchten, dass die künftige Regierung die Klimapolitik aus dem Wirtschaftsministerium und der Außenpolitik loslösen und zurück in die Öko-Ecke drängen will. Hier droht der wohl größte Schaden: Sobald Klima nicht mehr ressortübergreifend behandelt wird, könnten Milliardengelder für eine unökologische Wirtschaftsförderung ausgegeben werden, was dem Wirken der 100 Klimamilliarden geradewegs entgegenarbeitet.
Solange Klima kein Teil der deutschen Verteidigungsstrategie ist, droht eine Energiepolitik, die auf die Abhängigkeit vom Gas gereizter Autokraten statt massiv auf Erneuerbare setzt. Das gefährdet nicht nur Klimaziele, sondern auch demokratische Freiheiten.
Und wer für Sicherheit wirbt, der muss die Klimakrise als massives Sicherheitsrisiko für die Republik anerkennen, wie es zuletzt der Bundesnachrichtendienst klarstellte. Es sollte auch für ein Kabinett Merz zumutbar sein, Sicherheit im 21. Jahrhundert ein My komplexer zu denken als Artillerie und Außengrenzen.
Es braucht weit mehr als acht Milliarden pro Jahr
Dazu kommt die Finanzierungslücke. Laut Studien sind es nicht acht Milliarden, sondern eher 70 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr, die es für den Klimaschutz bräuchte.
Wenn das Kabinett Merz wirtschaftlich durchdachten Vorreiter-Klimaschutz umsetzen will, stünden die Türen offen. Zusätzliche Gelder ließen sich durch eine Vermögensabgabe für Superreiche mobilisieren. Auch die Profite der größten fossilen Konzerne könnten besteuert werden, sie verursachen schließlich die für uns so teuren Krisen.
Dass Merz politisch flexibel ist, hat er mit dem Schuldenvorstoß bewiesen. Das mag reiner Opportunismus gewesen sein, zeigt aber, dass die richtigen Druckverhältnisse und eine mobilisierte Öffentlichkeit unwahrscheinlichen Wandel möglich machen können.
Luisa Neubauer, Klimaschutzaktivistin
Durch Investitionen in eine Energiewende würde der Standort Deutschland für Unternehmen attraktiv und für fossile Autokraten unattraktiv. Überall dort, wo durch mehr ÖPNV Staus reduziert werden, durch mehr Wald die Umwelt gekühlt wird und durch ökologische Wärmeplanung Kommunen von fossilen Abhängigkeiten befreit werden, entstehen Synergieeffekte, die wiederum an anderen Stellen Geld sparen und Mehrwerte schaffen.
Wenn eine künftige Regierung die Einhaltung der Klimaziele jedoch effektiv boykottieren will, dann könnte sie acht Klimamilliarden Euro pro Jahr als Lobbygeschenke verschwenden, klimarelevante Personalentscheidungen nach Parteilogik und nicht nach Kompetenz treffen, tragende Subventionsprogramme absägen und nebenbei die Existenz dieses 100-Milliarden-Klimapakets als andauernde Ausrede nutzen, an anderen Stellen zu blockieren.
Dass Merz politisch flexibel ist, hat er mit dem Schuldenvorstoß bewiesen. Das mag reiner Opportunismus gewesen sein, zeigt aber, dass die richtigen Druckverhältnisse und eine mobilisierte Öffentlichkeit unwahrscheinlichen Wandel möglich machen können.
Es gibt keinen Grund, sich auf den Geldversprechen der neuen Koalition auszuruhen. Aber jeden Grund dafür, künftig dafür zu kämpfen, dass daraus etwas Gutes wächst.
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