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Clan-Auflauf in Castrop-Rauxel: Bei Massenschlägereien zwischen Syrern und Libanesen gab es Verletzte.

© dpa/Marc Gruber

Gewalt zwischen Großfamilien: Die Clan-Kämpfe in NRW könnten deutschlandweite Auswirkungen haben

Hunderte Männer versammelten sich erst in Castrop-Rauxel, dann in Essen zu Massenschlägereien. Die Fehde der Großfamilien könnte weitere Kreise ziehen, warnen Szenekenner.

Die tagelangen Kämpfe zwischen polizeibekannten Großfamilien in Nordrhein-Westfalen könnten bundesweit Folgen haben. Einer der beteiligten Clans hat sich mit Angehörigen in Niedersachsen und Berlin intensiv über die Lage ausgetauscht – hält der Konflikt in NRW an, könnte der Clan also bundesweit mobilisieren. Das erfuhr der Tagesspiegel von Kennern der Szene.

Bei der erwähnten Großfamilie handelt es sich um den Al-Zein-Clan. Ein namhafter Vertreter machte in einem inzwischen weitläufig zirkulierenden Online-Video auf Arabisch deutlich: „Wenn es hart auf hart kommt, werden wir zu euch kommen. Es ist bekannt, wer wir sind.“

Die Ansprache richtet sich an Großfamilien aus Syrien, die in Castrop-Rauxel mit einem aus dem Libanon stammenden Clan stritten und so die Kämpfe auslösten: Die dort Beteiligten sollen Nachbarn sein, deren Kinder sich gezankt hatten.

Es ist nicht hinnehmbar, wenn sich Männerhorden zusammenrotten und teils sogar bewaffnen, um andere einzuschüchtern oder anzugreifen.

Herbert Reul (CDU), nordrhein-westfälischer Innenminister

Am Samstag hatte ein vermummter Syrer mit Schlagstock in der Hand ebenfalls ein Video veröffentlicht, in dem er droht: „Ich schwöre euch, wir werden die Libanesen ficken. Die wissen nicht, dass sie sich mit Leuten aus Deir-ez-Zor angelegt haben.“ Deir-ez-Zor ist eine Stadt in Syrien, die im dortigen Bürgerkrieg heftig umkämpft war.

Polizisten aus ganz NRW patrouillierten am Wochenende in dortigen Städten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) steht unter Druck: „Es ist nicht hinnehmbar, wenn sich Männerhorden zusammenrotten und teils sogar bewaffnen, um andere einzuschüchtern oder anzugreifen“, sagte Reul der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Die Polizei müsse deutlich machen: „Bei uns gilt das Recht des Staates und nicht das Recht der Familie.“

Bei den Massenschlägereien in NRW waren in den vergangenen Tagen mehrere Menschen, unter anderem zwei Polizisten, verletzt worden. Es seien Männer syrischer und libanesischer Nationalität beteiligt gewesen, teilte die Polizei mit. Um die Massen zu trennen, seien die Beamten von Diensthunden und einer Hubschrauber-Crew unterstützt worden. Konfisziert wurden Baseballschläger, Dachlatten, Messer. Bei gezielten Durchsuchungen wurde zudem eine Schusswaffe sichergestellt.

Szenekundige Beamte aus NRW tauschen sich zur Lage im Milieu mit Ermittlern anderer Bundesländer aus. Der Al-Zein-Clan ist seit Jahren bundesweit bekannt: Angehörige wurden unter anderem wegen Betrugs, Raubs und versuchter Tötungsdelikte verurteilt.

In Berlin überfielen Männer der Großfamilie 2014 die Ju­we­lier-Ab­tei­lung des Lu­xus-Kauf­hau­ses KaDeWe und ver­sprü­hten Reizgas. Mit Äxten zer­schlugen sie Vi­tri­nen und erbeuteten Uh­ren und Schmuck im Wert von 800.000 Euro. Im Jahr 2015 heuerte ein Mitglied des Clans einen Auf­tragsmörder­ an, um einen Ne­ben­buh­ler zu töten – das Opfer überlebte.

In Düsseldorf wurden im Jahr 2022 Angehörige des Al-Zein-Clans wegen Betrugs zu Haftstrafen verurteilt, ihre mit Beutegeld erworbene Villa in Leverkusen wurde vorläufig eingezogen. Die Söhne des örtlichen Clan-Oberhaupts legten Revision ein.

Einige Angehörige der Großfamilie schreiben sich mitunter El-Zein – das hat damit zu tun, dass die Transkription aus dem Arabischen in Deutschland nicht einheitlich vollzogen wurde. Nicht alle Familienmitglieder und schon gar nicht alle Bürger dieses Nachnamens fielen strafrechtlich auf.

Die Al-Zeins stammen, das macht auch der Angehörige in der eingangs erwähnten Online-Botschaft deutlich, ursprünglich aus dem Südosten der Türkei. Der Mann bezeichnet seinen Clan in dem Video explizit als „Mhallami“, eine arabische Volksgruppe mit kurdischen Einflüssen, die einst aus Mardin nach Beirut auswanderte.

Schon vor fünf Jahren hatten sich Großfamilien in NRW über Wochen heftige Auseinandersetzungen mit einer Truppe irakischer Einwanderer geliefert.

Damals stritt unter anderem der Al-Zein-Clan mit Männern der „Al Salam 313“, einer rockerähnlichen Truppe militanter Iraker, die im Drogen- und Waffenhandel aktiv gewesen sein soll. Circa 20 Angehörige der Al-Zeins überfielen Ende 2017 in Essen eine Teestube, deren Besitzer als Wortführer der „Salam“-Truppe galt.

Angeblich, hieß es aus der Szene seinerzeit, hätten sich die Iraker geweigert, der Großfamilie das übliche Schutzgeld zu zahlen. Damals wurde zudem darüber gesprochen, dass der Streit auch deshalb eskaliert sein könnte, weil die Al-Zeins sunnitischen und die irakischen Kontrahenten schiitischen Glaubens sind.

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