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Die Daten lokaler Ausländerbehörden sollen in die große zentrale Datei. Das funktioniert nicht immer.

© Sören Stache/dpa

Ausländerzentralregister: Sachverständige kritisieren Ausbau der Ausländer-Datensammlung

Das Ausländerzentralregister gilt als wenig brauchbar und als Mittel zur Konstruktion der "Ausländer"-Gefahr. Seine Reform birgt neue Risiken, sagen Fachleute.

Die erneute Reform der riesigen deutschen Ausländerdatei, des „Ausländerzentralregisters“ (AZR), ist auf teils heftigen Protest von Fachleuten gestoßen. Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri bezweifelte während der öffentlichen Anhörung im Innenausschuss schon den Zweck der Gesetzesnovelle: Viele Datensätze daraus könnten Behörden schon jetzt untereinander austauschen.

Der wohl bestinformierte Kenner des AZR, der frühere schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert, sagte, die „die Defizite dieses Gesetzentwurfs wie des gesamten Gesetzes“ seien „evident“. Es mangle an einer klaren Bestimmung, zu welchem Zweck dessen Daten geteilt werden dürften, sensible Daten seien nicht ausreichend geschützt und es werde nicht genug kontrolliert, wer sie nutze und wie. Schon an die europäische Datenschutzgrundverordnung hätte das AZR angepasst werden müssen. Das sei aber nur dem Namen nach geschehen, sagte Weichert, der einen Kommentar zum AZR verfasst hat. Jetzt plane man neue Eingriffe in die Grundrechte betroffener Ausländerinnen und Ausländer geplant. Gegen Digitalisierung sei nichts einzuwenden, „im Gegenteil. Aber das darf nicht auf dem Rücken der Betroffenen erfolgen“.

Mit dem Gesetzentwurf „zur Weiterentwicklung des Ausländerzentralregisters“, den der Bundestag gerade berät, soll es möglich werden, dass alle Daten über ausländische Staatsangehörige zentral gespeichert, abgerufen und automatisch aktualisiert werden können. Personaldokumente zum Beispiel sollen dort zusammen mit ihrem Echtheitsnachweis abgelegt werden, damit nicht jede Behörde wieder prüft, wenn sie sie braucht.

Heinrich Ringkamp, der zuständige Abteilungsleiter im Bundesverwaltungsamt, das das Register verwaltet, begrüßte für seine Behörde den Gesetzentwurf. Das Mehr an Speicherung und Datenaustausch werde „auch den Betroffenen zugute kommen“, den langen Postweg vermeiden und die europäische Datenvernetzung fördern. Das AZR bleibe so „der Vorreiter für Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung“.

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Demgegenüber verwiesen die Kritiker bereits auf die hohe Zahl der Stellen, die Zugriff auf das AZR haben werden – etwa 16 500 Behörden, öffentliche Dienststellen bis hin zu den Geheimdiensten. Ereignisse wie der Tiergartenmord zeigten, welch hohes Interesse Verfolgerstaaten an Informationen, etwa Meldedaten, ihrer Gegnerinnen und Opfer hätten, um sie bis in Länder wie Deutschland nachzusetzen, wo sie Schutz gefunden hätten. Der Vertreter des katholischen Wohlfahrtsverbands Caritas, Bernward Ostrop, verwies auf NSU 2.0 - den nach wie vor ungeklärten Abfluss von Meldedaten Prominenter mit Migrationshintergrund. Die Informationen kamen aus der hessischen Polizei. Weichert warnte, dass für Geheimdienste die Nutzungsregeln anderer Behörden nicht gälten und ohnedies „Datenschutzkontrolle praktisch nicht“ stattfinde.

Ein weiterer Sachverständiger, der Richter am Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Philipp Wittmann, zeigte sich verwundert über die erklärten Zwecke des neuen Gesetzes. „Die Papierpost will sicher keiner mehr zurück.“ Aber digital könne man den Austausch zwischen Behörden auch ohne eine zentrale Datensammlung organisieren. Auch Homeoffice sei kein Argument für sie. Sachbearbeiter:innen müssten natürlich Zugriff von zu Hause haben. "Aber müssen dies sämtliche Behörden, die dies wollen?", fragte Wittmann.

Das Ausländerzentralregister ist seit vielen Jahren in der Kritik – einmal, weil sein Datenbestand oft veraltet ist, denn beliefert wird es von regionalen Behörden. Aber auch Konstruktion und Geschichte des AZR gelten vielen als anrüchig: Vom NS-Regime 1938 gegründet, belebte es die Bundesrepublik früh wieder, „zur verstärkten Überwachung der Ausländer im Bundesgebiet“. Es registriert auch die rechtlich praktisch gleichgestellten EU-Staatsangehörigen, weshalb es als Mittel gilt, die Teilung in Deutsche und Nichtdeutsche statistisch zu verfestigen und Ausländern durchweg Sonderrecht zu schaffen.

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