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Die Agentur für Arbeit besuchen bald nicht mehr Bürgergeldempfänger, sondern Menschen in Grundsicherung. Doch was ändert sich wirklich dadurch?

© dpa/Martin Schutt

Bas hält Bürgergeld-Reform für Nullsummenspiel: Die Union rechnet weiter mit Milliarden-Einsparungen

Laut Bundesarbeitsministerium spart die Einführung der Grundsicherung kaum Geld. In der Union glaubt man aber, dass die schärferen Sanktionen den Arbeitsmarkt beleben. Ein Ökonom widerspricht.

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Nachdem der Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums nur geringe Einsparung durch die Abschaffung des Bürgergeldes prognostiziert, gerät die Unionsfraktion in Erklärungsnot.

Laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ geht Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) davon aus, dass schärfere Sanktionsmöglichkeiten für Transfergeld-Empfänger in der neuen Grundsicherung 2026 lediglich zu Einsparungen von 86 Millionen Euro führen werden. 2027 sollen es nur 69 Millionen Euro sein. Danach rechnet das Ministerium sogar mit steigenden Kosten.

Wir müssen mehr Menschen in Arbeit vermitteln. Das ist der wichtigste Stellhebel, wirklich Gelder einzusparen.

Marc Biadacz, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion

Die Union hatte die Reform im Wahlkampf gefordert und in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt. Noch im September hatte und Kanzler Friedrich Merz (CDU) ein Sparpotenzial von fünf Milliarden Euro pro Jahr genannt.

„Wir müssen mehr Menschen in Arbeit vermitteln. Das ist der wichtigste Stellhebel, wirklich Gelder einzusparen“, sagte Marc Biadacz, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, dem Tagesspiegel.

Das ifo-Institut habe erst kürzlich errechnet, dass der Staat mehr als zwei Milliarden Euro spare, wenn es gelinge, 100.000 Menschen in Arbeit zu bringen. Durch eine kluge Arbeitsmarktpolitik und auch den Einsatz schärferer Sanktionen könne es gelingen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren und so deutlich mehr Geld einzusparen und weniger für die Grundsicherung auszugeben.

Biadacz sagte zudem, dass nach der nun geplanten Einführung der Grundsicherung ein zweiter Reformschritt folgen werde. „Damit wollen wir stärker gegen Missbrauch und das Erschleichen von Sozialleistungen vorgehen.“

Der CDU-Arbeitsmarktpolitiker Kai Whittaker hält ebenfalls am Einsparziel von fünf Milliarden Euro fest. Die jetzt anstehenden Änderungen legten die Basis dafür, dass die Jobcenter wieder ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen könnten, Menschen in dauerhafte Beschäftigungen zu vermitteln, sagte Whittaker im Deutschlandfunk. Gelinge dies, seien auch die von der Union prognostizierten fünf Milliarden Euro Einsparungen möglich.

Viele Arbeitslose kaum vermittelbar

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, bezweifelt, dass durch schärfere Sanktionsmöglichkeiten die Arbeitslosigkeit nennenswert reduziert werden könne.  Es gebe nur sehr wenige Bürgergeld-Beziehende, die das System missbrauchten, sagte der Wirtschaftsforscher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Die meisten Bürgergeld-Empfänger haben jedoch keine Qualifikationen oder gesundheitliche Probleme“, erläuterte er. Dann helfe „auch die strengste Sanktion nicht dabei, sie in Arbeit zu bringen“.

Es gehe der Bundesregierung darum, „vermeintlich Faule“ zu bestrafen, „damit der Rest der Bevölkerung sich besser fühlt“. Fratzscher sprach deshalb von einem „populistischen Ablenkungsmanöver“.

Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, äußerte die Erwartung, dass die Reform „mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen“ wird. Er warnte davor, unverschuldet in Not geratene Menschen zu stigmatisieren.

Das Reformvorhaben werde zulasten von Betroffenen, Beschäftigten in Jobcentern und Gerichten gehen, sagte Werneke dem „RND“. In den Jobcentern würden „künftig noch mehr Konflikte ausgetragen“ und die Gerichte „viele Verschärfungen wieder kassieren“.

Droht mehr Obdachlosigkeit?

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, kritisierte insbesondere, dass es künftig möglich sein soll, die Mietzahlungen für Menschen im Sozialleistungsbezug komplett zu streichen. Dies sei angesichts des Fehlens von ausreichendem bezahlbaren Wohnraum „verantwortungslos“, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Es treffe nicht nur diejenigen, die mit dieser Maßnahme gerügt werden sollten, mahnte Engelmeier. Menschen im Leistungsbezug dürften es grundsätzlich noch schwerer haben, eine Wohnung zu finden.

„Denn auch die Vermieter wissen nun: Bürgergeld-Beziehenden eine Wohnung zu überlassen, birgt die Gefahr, dass das Amt die Miete womöglich nicht mehr bezahlt.“ Sie fürchte, dass aus der „Wohnungskrise dann eine Wohnungslosenkrise wird“. Immerhin würden Familien von der Regelung ausgenommen. (mit epd)

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