
© Imago/Wolfgang Maria Weber
Trotz der Messerattacke am Holocaustmahnmal: „Refugees welcome“ – das ist Ausdruck einer Haltung
Ein junger Syrer ist der mutmaßliche Täter bei der Attacke am Holocaustmahnmal. Doch wir sollten besonnen bleiben. Die Grenzen müssen offen bleiben für die, die Zuflucht benötigen.

Stand:
Ist das nicht tragisch? Kurz vor der Wahl eine antisemitische Tat, eine Messerattacke, ausgerechnet am Mahnmal für die sechs Millionen ermordeten Juden. Die Trauer darüber darf einen erfassen – die Wut nicht.
Ein junger Spanier ist das Opfer, ein junger Syrer der mutmaßliche Täter. Einer, der Zuflucht vor dem Terror gefunden hat – um dann hier Terror zu verbreiten?
Das mutet so irreal an. Und doch ist es Realität. Eine, die immer mehr im Land dazu bringt, sich von dem abzuwenden, was es in seiner Mehrheit ist: ausländerfreundlich.
Refugees welcome – es war alles nicht nur ein Spruch, es ist Ausdruck einer Haltung. Die sich jetzt, an diesem Fall, in dieser Wahl, bewähren und bestätigen muss.

© dpa/AP/Ebrahim Noroozi
Bei aller Notwendigkeit, die illegale Einwanderung zu begrenzen – die Grenzen müssen offen bleiben für die, die Zuflucht benötigen. Das sind viele, aber nicht so viele, dass die Lage unbeherrschbar wäre.
Sowas wollen nur die suggerieren, die am rechten Rand Stimmen fischen. Dabei haben sich die Parteien, die am Ende vielleicht regieren können, längst aufgemacht, der Sache Herr zu werden. Es ist vom Wahlkampfgetöse übertönt worden.
Die Demokratie, die aus den Trümmern unserer Moral erwachsen ist, fordert von uns, weltoffen und offen für Bedrängte zu bleiben.
Stephan-Andreas Casdorff
Wenn jetzt der Rechtsstaat greift, Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln, dann ist das der Demokratie geschuldet – und ihrer würdig. Das zählt zu unseren Errungenschaften in den Jahrzehnten.
Mehr Politik sehen Sie hier
Das Ergebnis der Untersuchung wird politisch zu würdigen werden, gewiss, aber doch hoffentlich angemessen, beherrscht. Will sagen: Überreaktionen würden dem Bild schaden, das Deutschland von sich selbst hat. Oder der Welt präsentieren will.
Ist das nicht tragisch: Der junge Syrer hatte eine Aufenthaltserlaubnis nach der Genfer Flüchtlingskonvention, war legal hier. Es gab also gute Gründe. Dass er Islamist sein könnte – wer konnte das wissen. Vielleicht ist er einer dieser Fälle, die aufgrund traumatischer Erlebnisse psychisch krank wurden.
Und wenn nicht, wenn er ein „Schläfer“ war, dann wird ihn die volle Härte des Gesetzes treffen. Darauf müssen wir, dürfen wir vertrauen.
Bei aller Wut über die Tat, schon der Ort mahnt uns zu Besonnenheit. Die Demokratie, die aus den Trümmern unserer Moral erwachsen ist, fordert von uns, weltoffen und offen für Bedrängte zu bleiben.
Die Regierenden von morgen haben die Wahl. Sie werden die Grenzen sichern, aber können auch Geld freimachen, die Integration zu verstärken. Das tut nicht minder Not.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: