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 Andreas Storm (48), gebürtiger Hesse, ist seit drei Monaten Minister für Gesundheit und Soziales im Saarland. Von 1994 bis 2009 saß der CDU-Politiker im Bundestag.

© dapd

Andreas Storm im Interview: „Bei der Rente muss Stabilität Vorrang haben“

Der saarländische CDU-Gesundheitsminister Andreas Storm kritisiert die geplante Senkung des Rentenbeitrags. Er meint, Entlastungen hätten einen Jojo-Effekt. Stattdessen müssten die Rentenversicherungen Rücklagen bilden. Werden sich Bund und Länder einigen?

Herr Storm, warum wollen Sie den Bürgern keine Entlastungen bei den Rentenbeiträgen gönnen?

Aufgrund der demografischen Entwicklung stehen wir in der gesetzlichen Rentenversicherung in den nächsten Jahren vor einem deutlichen Ausgabenanstieg. Es wäre absurd, wenn wir jetzt die Rücklagen, die durch die gute Arbeitsmarktentwicklung entstanden sind, fast restlos abbauen, um kurzfristig den Beitragssatz auf den niedrigsten Stand seit Mitte der 90er Jahre zu senken. Dann stünden wir schon mittelfristig wieder vor erheblichen Finanzierungsproblemen. Eine nachhaltige Rentenfinanzierung sieht anders aus.

Die FDP argumentiert, die geplante Beitragssenkung um 0,6 Prozentpunkte wäre die beste Konjunkturförderung, die man sich vorstellen könne. Sechs Milliarden Euro könnten zusätzlich in den privaten Konsum fließen ...

Die Aufgabe der Rentenversicherung ist es nicht in erster Linie, Konjunkturförderung zu betreiben, sondern die Alterssicherung nachhaltig und generationengerecht zu finanzieren. Für das berechtigte Interesse, die Bürger und die Wirtschaft zu entlasten, gibt es andere Instrumente, die besser geeignet sind.

Es gibt aber einen Automatismus, der besagt: Wenn es genug Reserven in der Rentenversicherung gibt, muss der Beitragssatz gesenkt werden. Darf man das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung, das sich ja aus Zwangsbeiträgen speist, zu einer Art Sparkasse machen?

Dass das nicht der Fall ist, zeigt der Blick in die Vergangenheit. Bis 1992 hatte die gesetzliche Rentenversicherung immer deutlich höhere Rücklagen. Als man dann begonnen hat, diese Rücklagen immer stärker abzubauen, ist kaum ein Jahr vergangen, ohne dass es enorme Finanzierungsprobleme gab. Allein zwischen 1993 bis 1997 stieg der Rentenbeitragssatz von 17,5 Prozent auf 20,3 Prozent – eine Folge davon, dass es keinen Puffer mehr gab, um die konjunkturelle Krise Mitte der 90er Jahre abzudämpfen. Wenn wir diesen Fehler nicht ein weiteres Mal begehen wollen, sind wir klug beraten, die Rücklagen der Rentenversicherung auszubauen.

Sie fordern eine bloße Aufstockung der Reserven – oder gleich eine Art Sonderkasse für die demografischen Herausforderungen der Zukunft?

Wir fordern zunächst einmal, die Beitragsentwicklung und die Rücklagenentwicklung insgesamt in den Blick zu nehmen. Das Ziel muss sein, bis zum Beginn des nächsten Jahrzehnts Stabilität bei den Rentenfinanzen hinzubekommen. Und diese Stabilität muss Vorrang haben vor dem Wunsch nach kurzfristigen deutlichen Entlastungen – der zu einem Jojo-Effekt und mittelfristig wieder zu deutlich stärkeren Belastungen führt.

Wie geschlossen stehen denn die Länder in ihrer Ablehnung?

Die fünf Länder, die von großen Koalitionen regiert werden, also Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen, haben sich diesbezüglich abgestimmt. Das würde bedeuten, dass bis zu zwölf von 16 Ländern dagegen sind. Im Moment wäre das eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Um diesen Einspruch zurückzuweisen, müsste der Bundestag am Ende ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit aufbringen.

Wenn die geplante Beitragssenkung nicht durchkäme, wäre das eine Riesenblamage für Schwarz-Gelb im Bund – und das im Wahljahr. Wollen Sie das als CDU-Politiker wirklich?

Weil sich die deutliche Ablehnung der Länder abzeichnet, habe ich die Bundesregierung gemeinsam mit meinem Kollegen und Parteifreund, dem Berliner Sozial- und Gesundheitssenator Mario Czaja, aufgefordert, vor der Verabschiedung des Gesetzes durch das Bundeskabinett mit den Ländern über das Thema zu reden. Ich halte das auch deshalb für sinnvoll, weil wir bei einem streitigen Verfahren erst unmittelbar vor Jahresende wüssten, wie hoch die Rentenbeiträge im nächsten Jahr wären. Das wäre schlecht für alle Beteiligten, insbesondere für die Unternehmer, die sich darauf einstellen müssen. Deshalb wäre es sinnvoll, einen breiten Konsens zu finden. Ich appelliere an den Bund, mit den Ländern schnell nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen.

Sehen Sie denn Spielraum für Kompromisse? Zum Beispiel, dass nur ein Teil des Geldes in eine Beitragssenkung fließt und der Rest in die Rücklagen?

Darüber müssen wir reden. Klar ist, dass eine gemeinsame Lösung nicht darin bestehen kann, dass jeder auf Maximalpositionen beharrt. Es muss aber eine Lösung sein, die mit dem Gebot der Nachhaltigkeit und der langfristigen Stabilisierung der Rentenfinanzen in Einklang steht.

Das Gespräch führte Rainer Woratschka (Meinungsseite).

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