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Bericht über Netzwerk in Ex-Sowjetrepublik: Moskau versucht, Regierung in Moldau zu unterwandern
Russland will die prowestliche Republik Moldau offenbar gezielt auf Kreml-Linie bringen. Der „Washington Post“ zufolge lässt Moskau dafür zig Millionen Dollar fließen.
Stand:
Während Russlands Vormarsch in der Ukraine derzeit stockt, versucht Moskau offenbar, seinen Einfluss in anderen ehemaligen Sowjetstaaten auszuweiten. In der Republik Moldau soll der russische Inlandsgeheimdienst FSB ein Netzwerk aufgebaut haben, um das prowestlich regierte Land auf Kreml-Linie zu bringen.
Das geht aus einem Bericht der „Washington Post“ (WP) hervor, der sich auf sensible Dokumente des ukrainischen Geheimdienstes stützt. Bei der Autorin handelt es sich um die Investigativjournalistin und Russland-Expertin Catherine Belton.
Ihr zufolge geht aus den Dokumenten und Interviews hervor, dass der FSB mehrere zehn Millionen Dollar von einigen der größten russischen Staatsunternehmen nach Moldau fließen ließ, um dort ein Netzwerk von moldauischen Politikern zu pflegen mit dem Ziel, das Land prorussisch auszurichten.
Eine Schlüsselrolle spielt dabei Ilan Shor, Oppositionspolitiker und Vorsitzender der Shor-Partei. Der 35-Jährige, der vom FSB „der Junge“ genannt wird, „ist laut Geheimdienstdokumenten und Interviews mit moldauischen, ukrainischen und westlichen Beamten eine führende Figur in den Bemühungen des Kremls, diese ehemalige Sowjetrepublik zu unterwandern“, heißt es in dem WP-Bericht.

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Shor ist Organisator regelmäßiger Demonstrationen mit Tausenden Teilnehmern, die gegen die horrenden Preissteigerungen protestieren und den Rücktritt der prowestlichen Regierung um Präsidentin Maia Sandu fordern.
Die Republik Moldau mit ihren knapp 2,6 Millionen Einwohnern ist das ärmste Land Europas - über ein Viertel der Bevölkerung lebt nach Angaben des Bundesentwicklungsministerium in absoluter Armut. Das Land ist fast zu 100 Prozent von russischem Gas abhängig.
Gaspreise um das Fünffache gestiegen
Der russische Staatskonzern Gazprom hat die Lieferungen im Oktober um 30 Prozent gesenkt und droht mit weiteren Kürzungen im November. Durch die Energiekrise sind die Gaspreise um mehr als das Fünffache gestiegen.
Die Energierechnungen beliefen sich damit für einen durchschnittlichen Moldauer auf mehr als 60 Prozent der Lebenshaltungskosten, wie die „Washington Post“ berichtet.
Die gesamte Operation in der Ukraine ist ihnen sehr peinlich, und sie brauchen irgendwo einen Erfolg.
Oleg Serebrian, Vize-Regierungschef Moldaus
„Die gesamte Operation in der Ukraine ist ihnen sehr peinlich, und sie brauchen irgendwo einen Erfolg“, sagte Oleg Serebrian, Vize-Premierminister Moldaus, in einem Interview. „Meine persönliche Befürchtung ist, dass Moldau ein leichteres Ziel ist als die Ukraine. Für eine Art moralische Aufrüstung der russischen Gesellschaft könnten sie in der Republik Moldau also verschiedene Mittel einsetzen. Das erste ist das wirtschaftliche.“
Regierungsvertreter befürchten daher, dass die von Shor organisierten Proteste nach dem Wintereinbruch eskalieren könnten und die Energiekrise zum Sturz der Regierung genutzt werden könnte.
Beifall für die Organisation der Proteste bekommt Ilan Shor aus Moskau. Ein hochrangiger russischer Politiker bezeichnete den 35-Jährigen dem WP-Bericht zufolge als „würdigen langfristigen Partner“. Der moldauischen Region, in der Shors Partei regiert, soll er zudem ein lukratives Gasgeschäft mit Russland angeboten haben.

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Auf der Liste von Sanktionen, die das US-Finanzministerium diese Woche gegen mehrere russische oder moldauische Organisationen und Einzelpersonen verhängte, steht auch Shors Name. Er organisiere sich mit anderen Oligarchen, „um politische Unruhen in der Republik Moldau zu schüren“, hieß es zur Begründung. Zudem habe er im Juni mit Moskau-treuen Stellen zusammengearbeitet, um Moldaus Bemühungen um einen EU-Beitritt zu „untergraben“.
Shor führt Partei aus israelischem Exil
Shor ist mit der russischen Sängerin Sara Lvovna Shor verheiratet, die von Kreml-Chef Wladimir Putin zur Ehren-Künstlerin Russlands ernannt wurde, wie aus dem Bericht des US-Ministeriums hervorgeht. Im Zusammenhang mit einem Diebstahl von einer Milliarde Dollar aus moldauischen Banken im Jahr 2014 wurde Shor wegen Geldwäsche und Veruntreuung verhaftet.
2015 wurde er zum Bürgermeister der Stadt Ohei gewählt und blieb im Amt, während er Berufung gegen das Urteil einlegte. Er bestritt die Vorwürfe, die er als politisch motiviert bezeichnete. 2019 verließ er schließlich Moldau, seine Partei führt er aus dem Exil in Israel weiter. Bei den Parlamentswahlen 2021 landete sie mit 5,7 Prozent der Stimmen auf dem dritten Platz.
Russlands Agenten haben zunehmend verzweifelte Maßnahmen ergriffen, um eine weitere Schwächung des Einflusses zu verhindern.
Erklärung des US-Finanzministeriums
Nach Angaben der „Washington Post“ erhielt Shors Partei Beratung von einem Team russischer Politstrategen. Die Partei sollte „im wahrsten Sinne des Wortes“ populistisch positioniert werden.
Ende September wurde die Leitung der beiden wichtigsten prorussischen Fernsehsender in Moldau einem engen Mitarbeiter von Shor übertragen. Dies gebe ihm eine wichtige Plattform, seine mit Moskau abgestimmte Agenda in dem kleinen Land zu verbreiten, heißt es in dem Bericht. In einem Interview bestritt Shor, jemals Unterstützung aus Moskau erhalten zu haben.
„Da Russland in letzter Zeit militärische Rückschläge und weltweite Empörung über sein brutales Vorgehen in der Ukraine hinnehmen musste, haben Russlands Agenten zunehmend verzweifelte Maßnahmen ergriffen, um eine weitere Schwächung des Einflusses zu verhindern“, schrieb das US-Finanzministerium in seiner Erklärung zu den Sanktionen.

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Auf die Liste setzten die USA auch den russischen Geschäftsmann Igor Chaika. Er habe „in Abstimmung mit Kreml-Pressesprecher Dmitri Peskow“ detaillierte Pläne entwickelt, um die moldauische Präsidenten Sandu zu untergraben und das Land „in die russische Einflusssphäre zurückzuführen“.
Gemeinsame Unternehmen in Russland
Die russische Regierung benutze Chaikas Unternehmen zudem „als Fassade, um Geld an die kollaborierenden Parteien in Moldau zu leiten“, heißt es in der Erklärung. Laut „Washington Post“ ist Chaika in Moldau Botschafter des Kreml-nahen Wirtschaftsverbands Delovaya Rossiyais.
Chaika pflegte offen ein gutes Verhältnis zu Igor Dodon, der von 2016 bis 2020 Präsident in Moldau war und einen prorussischen Kurs verfolgte. Mit Dodons jüngerem Bruder besitzt Chaika seit 2019 in Russland Unternehmen im Immobiliensektor und in der Abfallwirtschaft, berichtet die Zeitung weiter.
Igor Dodon, der in zahlreiche Korruptionsskandale verwickelt war, gab in einem heimlich aufgenommenen Video, das 2019 durchsickerte, zu, vom Kreml finanziert zu werden.

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Das Netz an Kreml-Treuen in Moldau ist offenbar groß. Im Westen besteht die Sorge, dass Russland das Land als Teil seiner Einflusszone beanspruchen könnte. Verschärft wird diese Sorge durch die Präsenz russischer Truppen in der Separatistenregion Transnistrien im Osten von Moldau an der Grenze zur Ukraine.
Transnistrien ist mit seinen rund 500.000 Einwohnern, die mehrheitlich Russisch sprechen, von der Regierung in Moskau politisch und wirtschaftlich vollständig abhängig. Das Gebiet lebt vor allem vom Weiterverkauf russischer Energie.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten Moldau Ende Juni den Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. Das ist allerdings nur der erste Schritt eines langwierigen Beitrittsprozesses.
Bei einer internationalen Geberkonferenz im Juli waren Moldau Unterstützung im Gesamtvolumen von 600 Millionen Euro zugesagt worden. Deutschland versprach der Republik zudem weitere Hilfen in Höhe von 60 Millionen Euro für die Bewältigung der Energiekrise und für Reformen.
In einer vorhergehenden Version war die Summe, die der FSB laut Bericht nach Moldau fließen ließ, falsch angegeben. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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