zum Hauptinhalt
ARCHIV - 06.09.2021, Berlin: Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sitzt während eines Interviews mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in seinem Büro. Aus Sicht von Fratzscher kann sich die Heim-EM im Sommer psychologisch und indirekt positiv auf die deutsche Wirtschaft auswirken. (zu dpa: «Experten: Kein Wirtschaftsboom durch Heim-EM») Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Beschränkung des Bürgergelds für Ukrainer: Fratzscher hält Debatte für „blanken Populismus“

Der FDP zufolge sollen neu ankommende Ukrainer kein Bürgergeld mehr bekommen. Der Ökonom Marcel Fratzscher plädiert stattdessen für mehr Anstrengung bei der Integration von Geflüchteten.

Stand:

Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher hat Forderungen nach einer Beschränkung des Bürgergelds für Ukraine-Flüchtlinge als „blanken Populismus“ kritisiert. „Niemandem wird es besser gehen, niemand wird auch nur ein Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt und ihnen Leistungen kürzt“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

„Der deutsche Staat muss nicht weniger Geld für Geflüchtete ausgeben, sondern mehr Anstrengungen für eine schnellere und bessere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft unternehmen“, forderte Fratzscher. Dies sei eine riesige auch wirtschaftliche Chance, da sich das Arbeitskräfteproblem hierzulande in den kommenden Jahren massiv verschärfen werde.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte der „Bild“-Zeitung gesagt: „Neu ankommende Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sollten künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, sondern unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen.“ Ähnliche Forderungen waren wiederholt aus der Union gekommen. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) argumentierte etwa, das Bürgergeld sei zum „Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme“ geworden.

Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“: „Dass hier auf einen populistischen Zug der Bürgergelddebatte aufgesprungen wird, macht uns fassungslos, denn es hat mit der Lebensrealität der meisten Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland nichts zu tun.“ Man wisse, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer eifrig Deutsch lernten und erfolgreich Integrationskurse abschlössen, sagte der Leiter der Abteilung Sozialpolitik des Verbands. Diese Leute wollten arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen.

Die Bundesregierung hatte die Forderungen am Montag zurückgewiesen. Das Arbeitsministerium wies darauf hin, dass mit der Zuständigkeit der Jobcenter für ukrainische Geflüchtete aus auch schneller Maßnahmen für ihre Integration in den Arbeitsmarkt ergriffen werden könnten.

Während Ukraine-Flüchtlinge in den ersten Monaten nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs lediglich Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hatten, können sie seit Juni 2022 Grundsicherung bekommen, also die gleichen Leistungen wie Empfänger von Bürgergeld (damals noch Hartz IV). Begründet wurde dies unter anderem damit, dass sie direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben und keine Entscheidung wie bei Asylbewerbern abwarten müssen. (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })