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Angela Merkel wird vom chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang mit militärischen Ehren begrüßt.

© dpa

Besuch in Peking: Merkels diplomatische Schauspielerei in China

Die moralische Selbstverleugnung dauert an: Die chinesisch-deutsche Harmonie ist auch ein Schauspiel – das vor allem Nicht-Anwesende beeindrucken soll. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Anna Sauerbrey

Steht die Welt kopf? Am Mittwoch hat Außenminister Heiko Maas in Washington Donald Trumps Nationalen Sicherheitsberater John Bolton und US-Außenminister Mike Pompeo getroffen und konnte im Anschluss nicht viel mehr tun, als die Kluft zu beschreiben, die Europa und die USA trennt: „Wir schlagen zwei völlig unterschiedliche Wege ein“, sagte er.

Das bezog sich darauf, wie eine atomare Bewaffnung des Iran verhindert werden könne (Atomabkommen oder Sanktionen) – und klang doch sehr grundsätzlich.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Globus traf Maas’ Chefin am Donnerstag dann den chinesischen Ministerpräsidenten Li Kequiang. Auf das Treffen mit Li folgte eine Pressekonferenz von beinahe unheimlicher Harmonie. Beide Länder, so Merkel, setzten auf Freihandel und internationale Kooperation, man bekannte sich zum Atomabkommen.

Schon im Vorfeld hatte China angekündigt, Zölle auf Autoteile zu reduzieren, Merkel begrüßte im Gegenzug ausdrücklich chinesische Investitionen in deutsche Unternehmen. Die Welt, so sah das aus, sortiert sich entlang der Linie zwischen Nationalisten („America First“) und Multilateralisten, Freihändlern und Protektionisten. Gemeinsame Werte? Nicht mehr so wichtig.

Doch so einfach ist es nicht. Die demonstrative Eintracht in China und Maas’ harte Kante in Washington sind auch diplomatische Schauspielerei, sind Teil des psychologischen Ringens im drohenden Handelskrieg und in der Iranfrage. Donald Trump ist der unsichtbare Dritte. Die Eintracht signalisiert: Es gibt, zumindest in der Theorie, alternative politische und wirtschaftliche Partnerschaften.

Auch der Ajatollah schaut zu

Ein weiterer unsichtbarer Zuschauer der chinesisch-deutschen Harmonie war der Iran. Irans oberster Führer, Ajatollah Ali Chamenei, nutzte den Zeitpunkt, um zu drohen, sein Land werde die Urananreicherung wiederaufnehmen, sollte es keinen Ausgleich für die amerikanischen Sanktionen geben. China und Deutschland vermittelten, dass das nicht nötig sei.

Die wahren Beziehungen sind komplizierter. Auch in Deutschland werden die Stimmen der „China-Hawks“ lauter, die vor Chinas Hegemonialstreben und der engen Verquickung von Geostrategie und Wirtschaftspolitik warnen, vor strategischen Investitionen in deutsche Unternehmen und in ost- und südeuropäische EU-Staaten mit dem Ziel der politischen Einflussnahme (hier der Link zur Causa-Debatte "Wie gefährlich ist China?").

Sie werden gehört, auch im Auswärtigen Amt. Tatsächlich sind die wirtschaftlichen Hürden für deutsche Unternehmen in China weiterhin hoch. An einer schnellen Öffnung dürfte China kein Interesse haben. Das Land ist nach Ansicht vieler Beobachter auf dem besten Weg, seine Vergangenheit als Copycat westlicher Technologien hinter sich zu lassen und selbst innovatives Hightech-Land zu werden – das geht schneller auf geschützten Märkten.

Deutschlands wirtschaftliche und politische Interessen erzwingen derzeit ein möglichst gutes Verhältnis zu China. Echte Liebe wird das nicht. Es ist eine Gratwanderung zwischen Zusammenarbeit, Selbstschutz und moralischer Selbstverleugnung – und wird es wohl auf absehbare Zeit bleiben.

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