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Von wegen Wohltäter! Aktivisten demontierten Edward Colston und kippten ihn in den Hafen von Bristol.

© dpa

Black Lives Matter in Großbritannien: Die Versenkung des Sklavenhändlers

Die Statue von Edward Colston flog ins Wasser. Recht so! Denn sie stand vor allem für das Vergessen von Englands rassistischer Geschichte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kit Holden

Für etwa eine halbe Stunde war der neue Standort offenbar sogar in Google Maps dokumentiert. Die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston befand sich nicht mehr an der Colston Avenue, sondern im Bristoler Hafen. Und zwar unter Wasser. Am Sonntagabend haben Black-Lives-Matter-Protestler das umstrittene Denkmal von seinem Podest gerissen und kurzerhand in den Hafen geworfen.

Schon seit Jahren herrscht in Bristol ein erbitterter Kampf um die Personalie Edward Colston. Der 1636 geborene Händler und konservative Abgeordnete war eine Art Gründungsvater für die Hafenstadt im Südwesten Englands. Nicht nur die Avenue, sondern auch eine Konzerthalle, mehrere Schulen und sogar eine Gebäckspezialität sind nach ihm benannt.

Zu einer Zeit, als Bristol sich durch den Sklavenhandel als eine der wichtigsten Städte auf der Insel etablierte, war Colston einer ihrer größten Stifter. Er investierte in Krankenhäuser, Schulen, Armenhäuser und in die Universität und wurde dafür im 19. Jahrhundert als großer Philanthrop gewürdigt.

Doch das Geld kam eben nicht von ungefähr, sondern vor allem von der Royal Africa Company, die in den frühen Jahren des britischen Imperialismus Menschen aus Afrika nach Amerika transportierte, um sie als Sklaven auf den Tabak- und Zuckerplantagen zu verkaufen. Mehr als ein Jahrzehnt war der Händler mit der Firma assoziiert, auch als hochrangiger Direktor. In diesem Zeitraum wurden geschätzt 84.000 Menschen über den Atlantik gebracht.

Colstons Reichtum und der Reichtum der Stadt Bristol basierten auf diesem Menschenhandel. Vor Jahren wurde die Gedenktafel unter seiner Statue umgeschrieben, um wenigstens darauf hinzuweisen.

Die meisten Briten wurden aber erst jetzt auf Colston aufmerksam. Der Sklavenhandel spielt schließlich - und das ändert sich jetzt erst langsam - kaum eine Rolle in der britischen Selbstwahrnehmung. Die Sklavenhändler von einst werden eher als gütige Lokalgrößen und Wohltäter wahrgenommen.

Insofern könnte der Abriss der Colston-Statue einen längst überfälligen Wendepunkt in der britischen Erinnerungskultur darstellen. Denn eigentlich stand die Statue nicht für Erinnerung, sondern fürs Vergessen. Sie stand für das Verschweigen und die Relativierung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Jetzt liegt sie im Bristoler Hafen. Und das ist auch gut so.

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