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Politik: Blinde Studenten und nervöse Rentner sind nicht gefragt

MOSKAU .Zur Zeit kämpfen nur wenige russische Freiwillige auf der Seite der Serben.

MOSKAU .Zur Zeit kämpfen nur wenige russische Freiwillige auf der Seite der Serben.Das jedenfalls berichtete die angesehene Moskauer Zeitung "Sewodnja" am Sonntag.Tausende Freiwillige würden demnach allerdings nach Jugoslawien geschickt, sobald die Nato mit dem Bodenkrieg gegen das Regime in Belgrad beginne.In Moskau ist die Diskussion um russische Freiwillige neu entbrannt, nachdem am Freitag der Tod des russischen Offiziers Witalij Buchal bekannt geworden ist.

Das Moskauer Fernsehen zeigte Bilder des toten Offiziers in serbischer Uniform, umringt von Kämpfern der "Kosovo-Befreiungsarmee" UCK - die Taschen voll russischen Geldes und Ausweisen.Das Moskauer Notstandsministerium, in dessen Diensten Witalij Buchal gestanden hat, erklärte sofort, der Mann sei bereits vor zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen ausgemustert worden.Das russische Außenministerium sprach umgehend von einer Provokation der UCK.

In Rußland gibt es mehrere Organisationen, die die Entsendung von Freiwilligen organisieren.Längst wurde die offene Werbung, die unmittelbar nach Kriegsbeginn einsetzte, eingestellt.Jetzt wird im Verborgenen gearbeitet.Die Sammelstellen, an denen sich jeder unabhängig von Alter und militärischer Ausbildung einschreiben lassen konnte, sind geschlossen.Das Anwerben Freiwilliger ist nach russischem Gesetz eigentlich verboten.

Einer der Führer der russischen Freiwilligenbewegung berichtete der Zeitung "Sewdonja" dennoch über Details der Arbeit.Nach den Worten des anonym bleibenden Gesprächspartners gibt es in Serbien zur Zeit "fast keine" Freiwilligen aus Rußland.Vor einigen Wochen sei allerdings eine Gruppe von Nachrichtenelektronikern, Flakschützen und Flugabwehrspezialisten nach Jugoslawien geschickt worden.

Eine Brigade erfahrener Soldaten, die bereits auf "serbischer Erde" gekämpft habe, warte in Rußland auf "ihre Stunde".Zur Zeit gebe es in Jugoslawien jedoch nichts zu tun.Mit den albanischen Freischärlern würden die Serben allein fertig, verkündete der Interviewte.Die Serben bräuchten keine "blinden Studenten und nervösen Rentner".Nötig seien vielmehr erfahrene Soldaten, die schon in Afghanistan oder Tschetschenien gekämpft hätten.

Die Zeitung mußtmaßte, zu den ersten Freiwilligen würden die Kosaken gehören, die schon früher an der Seite der Serben kämpften.Das Blatt zitiert den Kosakenoberst Wladimir Simonow mit den Worten, eine Kosakendelegation habe sich bereits mit Milosevic getroffen.Sie hätten dem jugoslawischen Präsidenten eine Liste von 12 000 Freiwilligen mit militärischer Erfahrung übergeben.Milosevic habe erklärt, wenn es Probleme beim Transport der Freiwilligen nach Jugoslawien gebe, könne man diese Frage auf dem "offiziellen und nichtoffiziellem Weg" lösen.Nach Lage der Dinge, so "Sewodnja", werde die Frage der Überführung auf nichtoffiziellem Weg geklärt.

Die Freiwilligen bekämen ein Visum von der jugoslawischen Botschaft in Moskau, hieß es.Die Diplomaten würden ihre Unterstützung bei der Überführung von Freiwilligen jedoch stets bestreiten.

Das größte Problem sei der Weg nach Belgrad.Bisher seien die Freiwilligen mit der Bahn gereist.In Serbien sind jedoch fast alle Brücken zerstört.Und Ungarn, Rumänien und Bulgarien, die durchquert werden müßten, seien entweder schon Nato-Mitglieder oder wollen es werden.

Daher haben die im Untergrund arbeitenden Organisatoren für Freiwilligeneinsätze verschiedene Autorouten nach Jugoslawien ausgearbeitet.Den Kämpfern wird ein exakter Zeitplan mitgegeben.Auf ihm sind Straßen, Orte, Tankstellen angegeben.Selbst die Pausen der Fahrer sind verzeichnet.

ULRICH HEYDEN

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