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Joe Biden.

© imago images / UPI Photo

Blitzbilanz der ersten TV-Debatte: Biden ist der Sieger

Es war die wildeste TV-Debatte in der Geschichte aller TV-Debatten. Sie endete mit einem klaren Punktsieg für den Herausforderer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Zirkus, Schlammschlacht, Chaos, Wirtshausschlägerei, Kindergarten. Eines ist sicher: Das war die wildeste, unkontrollierte TV-Debatte in der Geschichte aller TV-Debatten.

Genau fünf Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl war in Cleveland, Ohio, eine sachliche Erörterung von Themen kaum möglich. Insbesondere US-Präsident Donald Trump unterbrach seinen Herausforderer, Joe Biden, permanent. Moderator Chris Wallace versuchte mehrfach, Trump zur Ordnung zu rufen. Vergeblich.

Der Präsident als Bulldogge: Das war vor allem eine Umkehrung des Gewohnten. Trump liegt in Umfragen deutlich hinter Biden. Das führt zu vertauschten Rollen. Der Präsident griff an, brüllte, gestikulierte, wirkte wie ein Herausforderer. Biden hingegen nutzte die Chance, sich als präsidial darzustellen.

Viele Kollegen haben das erste TV-Duell zwischen Joe Biden und Donald Trump mit Spannung verfolgt. Die Frage "Wer hat gewonnen?" beantworten sie ganz unterschiedlich. Lesen Sie hier einen Kommentar von Christoph von Marschall, der klar Donald Trump als Sieger des Abends sieht.

Trump ist harte Fragen, den Schlagabtausch, von diversen Pressekonferenzen gewohnt. Attackiert zu werden, scheint ihm Spaß zu machen. Er keilt gerne aus, lauert auf die Gelegenheit für einen kurzen, harten Punch.

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Biden war immer dann gut, wenn er Zeit hatte, auswendig gelernte Statements vorzutragen. Spontaneität ist seine Sache nicht. Manchmal verfehlte seine Antwort die Frage. Er lächelte zu viel und zu gequält. Allerdings wandte er sich ein ums andere Mal direkt an die Amerikaner. Das gab seinen Worten Gewicht.

Was war inhaltlich bemerkenswert?

Trump weigerte sich, rassistische Bewegungen und Organisationen – „white supremacy“ – zu verurteilen. Er sagte nicht zu, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl auch bei einer Niederlage zu akzeptieren. Stattdessen spekulierte er über die Einschaltung des Supreme Courts.

Biden sah nicht gut aus bei den Themen Wirtschaft und Neubesetzung des vakanten Richterpostens am Verfassungsgericht. Trump gelang es, die Corona-Pandemie für den miserablen Zustand der Ökonomie verantwortlich zu machen. Dem hatte Biden wenig entgegenzusetzen. Trump gelang es auch – „Wahlen haben Konsequenzen“ -, für sich und seine Regierung das Recht zu reklamieren, den Richterposten neu zu besetzen. Das konnte Biden nicht entkräften.

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Inhaltlich ging der Herausforderer dennoch als Punktsieger vom Platz. Immer wieder zog er eine Verbindung von Trumps oft widersprüchlicher Reaktion auf die Corona-Pandemie zu anderen Themen – zur Wirtschaft, Rassismus, Gesundheitspolitik. Die zum Teil ignoranten Maßnahmen der Regierung gegen die Ausbreitung von Covid-19 erwiesen sich als Trumps eklatanteste Schwachstelle.

Die Blitzbilanz sieht Biden fünf zu zwei vorn bei Corona, Rassismus, Klimaschutz, Steuern und Akzeptanz der Wahlen. Trump punktete bei Verfassungsgericht und Wirtschaft. Doch all das wird wahrscheinlich rasch vergessen werden. Im Gedächtnis bleiben das Chaos, die Beleidigungen, die Brüllerei.

In vielen Bundesstaaten können die Amerikaner bereits wählen und tun dies auch zahlreich. Jede Debatte beeinflusst akut die politische Grundstimmung. Diese wird es gewiss tun.

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