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Waffe ja, Smartphone nein? Die Polizei wartet seit Jahren auf einheitliche Ausstattung mit IT.

© Boris Roessler/dpa

Block und Bleistift statt Smartphone und Tablet: Die peinliche Nicht-Digitalisierung der Polizei

Eitelkeiten von Bund und Ländern lähmen die überfällige harmonisierte Digitalisierung der Polizei. Das behindert deren Arbeit und muss sich ändern. Ein Gastbeitrag.

Benjamin Strasser ist Obmann der FDP-Fraktion im Innenausschuss des Bundestags

Die Digitalisierung der deutschen Polizei liegt am Boden. Das ist auch kein Wunder, denn die föderale Sicherheitsarchitektur ist ein herausforderndes Umfeld für digitale Innovation. Wenn Behörden aus 16 Ländern und dem Bund bei Reformprojekten beteiligt werden müssen, wird die Umsetzung automatisch hochkomplex. Wenn dann noch Landesinnenminister vorpreschen und gerne Leuchtturmprojekte umsetzen wollen, bleibt das Kernmerkmal der Technologie schnell auf der Strecke: die Inoperabilität, die Fähigkeit unterschiedlicher Systeme, möglichst bruchlos zusammenzuarbeiten.

Bund und Länder müssen sich gegenseitig an die Kandare nehmen und die digitale Innovation mit einem Staatsvertrag für die Digitalisierung der deutschen Polizei vorantreiben. In dem müssen die Grundsätze für gemeinsame Entwicklungen verbindlich geregelt und die Zulässigkeit sowie Mindeststandards für Eigenentwicklungen definiert werden. Verpflichten wir uns auf ambitionierte Ziele, wie die vollständige Digitalisierung des polizeilichen Arbeitsalltags von der Anzeigenaufnahme bis zum Fallabschluss.

Dass die Zeit drängt, ist lange klar. Ende 2019 wollte ich von der Bundesregierung wissen, wie es um digitale Technologie und Innovation in unserer Polizei bestellt ist. Das Ergebnis war erschreckend. Bei der deutschen Polizei regieren Smartphone und Tablet noch immer Block und Bleistift. Ein Beispiel: Bei der Bundespolizei leisten 31.500 Polizeivollzugsbeamte ihren Dienst. Für sie standen zum Zeitpunkt meiner Anfrage lediglich rund 5000 Notebooks und 6000 Smartphones bereit. Auf ein Smartphone kommen bei der Bundespolizei, sage und schreibe, fünf Beamte. Eine peinliche Bilanz für den deutschen Staat.

Immerhin hat die Bundespolizei hat einen eigenen Messengerdienst entwickeln lassen, damit die Beamten bei der Einsatzkommunikation nicht mehr private Anbieter wie WhatsApp nutzen müssen. Doch gleich mehrere Landesinnenminister haben für ihre Polizeibehörden ebenfalls eigene Messengerdienste entwickeln lassen, um in unserer föderal aufgebauten Sicherheitsarchitektur als Vorreiter zu gelten.

Ein bundeseinheitliches Messenger-System mit dem Namen EKUS (Einsatz-, Kommunikations- und Unterstützungs-System) muss nun unter diesen Bedingungen entwickelt und eingeführt werden. Der digitalen Interoperabilität werden damit keine Steine, sondern dicke Felsbrocken in den Weg gelegt. Für solche digitale Kleinstaaterei gibt es bei der Polizei zahlreiche weitere Beispiele: von Bodycams, über vernetzte Streifenwagen bis zu Software zur Big Data-Analyse - überall sprießen individuelle und nicht harmonisierte Lösungen aus dem Boden. Das verschwendet enorme finanzielle und organisatorische Ressourcen.

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Dabei galt die deutsche Polizei einst als Vorreiter bei digitalen Technologien. Das Fahndungssystem INPOL war bei seiner Einführung 1972 hochmodern. Inzwischen ist es in die Jahre gekommen und ein unübersichtliches Datenmoloch. Die Länder liefern ihre Daten nur teilweise und über komplizierte Schnittstellen an das System. Auch hier muss sich etwas ändern.

Erst im Herbst 2016 haben sich die Innenminister von Bund und Ländern zur „Saarbrücker Agenda“ durchringen können, die das Informationsmanagement auf die digitale Höhe der Zeit bringen soll. Mit dem BKA-Programm „Polizei 2020“ will die Bundesregierung seitdem die zersplitterte Informationsarchitektur der Polizei modernisieren und harmonisieren. Das wichtigste Ziel des Programms: Jeder Polizist in Deutschland soll die richtigen Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben.

"Polizei 2020" würde die Arbeit zehntausender Polizisten erleichtern

Eine großartige Vision, die deutschlandweit den Alltag von zehntausenden Polizisten erleichtern würde. Doch wann die im Einsatzalltag auf ein vernetztes Informationswesen zurückgreifen können, steht weiter in den Sternen. Obwohl „Polizei 2020“ allein namenstechnisch auf der Zielgeraden der Umsetzung sein müsste, dümpelt es vor sich hin.

Zentrale Reformprojekte werden im Schneckentempo umgesetzt und bei neuen Technologien schaffen die Landesinnenminister unkoordiniert Fakten. So darf es nicht weitergehen, denn unseren Polizeibeamtinnen und -beamten wird die Arbeit so nur schwerer gemacht. Wir müssen die Grundsätze der digitalen Innovation bei der deutschen Polizei deshalb verbindlich in einem Staatsvertrag festschreiben. Für Bits und Bytes statt Block und Bleistift bei der deutschen Polizei.

Benjamin Strasser

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