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Theresa May verlässt die Downing Street No 10, um den Weg ins Unterhaus anzutreten zu einer erneuten Brexit-Debatte.

© Toby Melville/Reuters

Britisches Drama: Last Exit für den Brexit ist der 22. Mai

Zwei Monate Aufschub für den Austritt wären zumutbar. Doch spätestens bis zu den Wahlen fürs EU-Parlament müssen die Briten für Klarheit sorgen. Ein Kommentar.

Ob sich die britische Entscheidung für den Austritt aus der Europäischen Union am Ende als vorteilhaft für das Land erweist, wird man erst in einigen Jahren sagen können. Feststeht aber, dass man darüber auch deshalb nur spekulieren kann, weil es noch nicht einmal einen Termin für den Brexit gibt. Ob der ursprünglich angestrebte 29. März zu halten ist, hängt ganz wesentlich von der heutigen und möglicherweise auch noch von der morgigen Abstimmung im Unterhaus ab.

Da sich eine Mehrheit der Parlamentarier am Mittwochabend gegen einen ungeordneten Brexit aussprach, wird am Donnerstag darüber abgestimmt, ob die Regierung von Theresa May in Brüssel eine Verschiebung der Entscheidung beantragen soll. Dem müssten die Vertreter der übrigen 27 EU-Mitglieder zustimmen. Dass sie dies tun, gilt als sicher, vorausgesetzt, die Premierministerin lässt erkennen, worüber sie noch verhandeln will.

Bislang galten zwei Monate als zumutbarer Zeitraum für die Verlängerung der Gespräche. Dessen Ende würde also auf den Termin der Wahl zum Europäischen Parlament (vom 23. bis zum 26. Mai) fallen. An dieser Wahl nimmt Großbritannien nicht mehr teil. Deswegen wurde auch die Zahl der Parlamentarier von 751 auf 705 verringert, die Zahl der Mandate für einige der verbleibenden Staaten wird leicht erhöht. So schicken Spanien und Frankreich künftig fünf zusätzliche Parlamentarier nach Brüssel und Straßburg, Irland zwei, Italien und die Niederlande drei und neun Staaten einen.

Nun taucht die Überlegung auf, die Brexit-Verhandlungen könnten auch bis zum 2. Juli, dem ersten Sitzungstag des neuen Parlamentes, ausgedehnt werden. Diese Überlegung ist jedoch politisch und juristisch indiskutabel, weil mit zu vielen Risiken behaftet.

Was wäre zum Beispiel, wenn sich Großbritannien in diesen Wochen entschließen würde, den Austrittsantrag zurückzunehmen? Die Briten könnten nicht einfach die Wahl nachziehen, denn insgesamt 14 der 27 verbleibenden Staaten entsenden als Folge der geänderten Wahlgesetze ja mehr Abgeordnete als früher. Ihre Mandate wären somit ohne Basis. Aber auch über die Verteilung der Ämter der Kommissarinnen und Kommissare würde ohne die Briten diskutiert. So lange die Briten EU-Mitglied waren, stand ihnen eine dieser Positionen zu.

Vor allem aber: Je näher der Termin 2. Juli rücken würde, desto mehr könnte die Regierung May, getrieben von einem völlig uneinigen, aber streitlustigen Unterhaus, die EU-Kommission unter Druck setzen. Denn gibt es keine Einigung bis zur ersten Sitzung des neuen  EU-Parlamentes und die Briten sind immer noch Mitglied der Union, kann dieses Parlament nicht tagen, denn es ist nicht rechtmäßig gewählt und zusammengesetzt. Deshalb kann es da absolut keinen Deal geben: Wenn das Unterhaus morgen für eine Verlängerung der Gespräche votiert, ist last Exit für den Brexit der 22. Mai, der letzte Tag vor dem ersten Wahltag zum neuen EU-Parlament.

Gerd Appenzeller

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