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„Bund lebt über seine Verhältnisse“: Scharfe Rüge für Bundesregierung wegen Schulden – Rechnungshof fordert Sparpaket
Der Bund sei nicht mehr in der Lage, seine Kernaufgaben dauerhaft aus den Einnahmen zu finanzieren. Durch die Zinsen seien gravierende Folgen zu erwarten, so die Kritik des Kontrollorgans.
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Der Bundesrechnungshof wirft Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor, den Bund in eine Schuldenspirale zu treiben. Die Finanzpläne der Regierung seien unsolide, die Einsparmaßnahmen eher symbolisch, heißt es in einem Gutachten zum Etat 2026. „Vielmehr lebt der Bund strukturell über seine Verhältnisse“, zitiert das „Handelsblatt“ daraus. Das unabhängige Kontrollorgan fordert demnach angesichts der hohen Neuverschuldung ein Sparpaket.
„Die Bundesregierung muss die Ausgabenproblematik jetzt und strukturell angehen“, mahnen die Rechnungsprüfer darin weiter.
Wer plant, 2026 fast jeden dritten Euro auf Pump zu finanzieren, ist von einer soliden Finanzwirtschaft weit entfernt.
Prüfer des Bundesrechnungshofs
Nach der Verabschiedung des Haushalts 2025 am heutigen Donnerstag sollen der Etat 2026 und die Finanzplanung bis 2029 kommende Woche erstmals im Bundestag beraten werden. Wie auch Reuters und AFP berichten, will die Bundesregierung von 2025 bis 2029 insgesamt mehr als 850 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Ein großer Teil davon entfällt auf das neue 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität.
Das unabhängige Kontrollorgan wirft der Regierung in seinem Bericht für den Haushaltsausschuss des Bundestags vor, Ausgaben und Schulden massiv auszuweiten. „Wer plant, im Jahr 2026 fast jeden dritten Euro auf Pump zu finanzieren, ist von einer soliden Finanzwirtschaft weit entfernt“, kritisiert der Rechnungshof den Medienberichten zufolge demnach weiter.
Der Rechnungshof warnt auch vor zu optimistischen Einschätzungen für die Zukunft. „Die strukturellen Haushaltsprobleme lösen sich nicht im bloßen Vertrauen auf eine künftige positive wirtschaftliche Entwicklung“, warnt die Behörde.
Neue Schulden seien nur ein kurzfristiger Ausweg und minderten Reformdruck. „In der mittleren Frist wird so ein Bundeshaushalt entstehen, in dem ein ganz erheblicher Anteil für Zinslasten gebunden ist“, warnt der Rechnungshof. Es bestehe die Gefahr einer Schuldenspirale.
Zudem minderten die neuen Schulden den Reformdruck, sie verleiteten dazu, „dringend und unaufschiebbar notwendige Maßnahmen auf die lange Bank zu schieben“.

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„Der Bund muss wieder in die Lage kommen, seine staatlichen Kernaufgaben aus seinen laufenden Einnahmen zu finanzieren“, betonen die Rechnungsprüfer in dem Papier. Es bedürfe „nachhaltiger Einsparungen durch das Setzen von Prioritäten“, eine „Fokussierung auf die verfassungsrechtlichen Kernaufgaben, das Hinterfragen von Subventionen und den Vorrang von Investitionen gegenüber konsumtiven Ausgaben.“
Die von der Regierung angekündigten Einsparbemühungen seien „wenig ambitioniert“ und hätten „eher symbolischen Charakter“, kritisierten die Prüfer.
Schwerwiegende Folgen befürchtet der Rechnungshof auch wegen der mit den hohen Schulden verbundenen Zinskosten, schreibt die AFP. Es sei absehbar, „dass die Zinsausgaben bis Ende des Finanzplanzeitraums über elf Prozent des Bundeshaushalts binden werden“, wird in der Analyse gewarnt.
Diese dürften sich von derzeit gut 30 Milliarden Euro bis 2029 auf 66,5 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Dabei spielen auch finanztechnische Effekte eine Rolle, die vorübergehend die Zinskosten noch dämpfen.
Kritik übt der Rechnungshof auch an einer großzügigen Interpretation der sogenannten Bereichsausnahme, mit der Kredite für Verteidigungsausgaben, die ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschreiten, dauerhaft von der Schuldenbremse ausgenommen wurden.
Die Bundesregierung sei inzwischen dazu übergegangen, auch bestimmte Ausgaben, die bisher im Verkehrsetat erfasst waren, dem Verteidigungshaushalt zuzuordnen, damit sie von der Ausnahmeregelung erfasst werden. Die Kriterien für diese sogenannte „verteidigungsrelevante“ Verkehrsinfrastruktur seien dabei unklar. Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium hatte dem Bericht der Prüfer zufolge Gelegenheit zur Stellungnahme, gab jedoch keine ab.
Linken-Abgeordneter Bartsch kritisiert Klingbeil scharf
Der Linken-Abgeordnete und frühere Fraktionschef Dietmar Bartsch warf vor diesem Hintergrund der Regierung der AFP zufolge falsche Schwerpunktsetzungen in dem von Finanzminister und SPD-Co-Chef vorgelegten Haushalt vor. „Mehr als 170 Milliarden Euro Schulden will Lars Klingbeil im kommenden Jahr machen, vor allem, um bis zum Ende des Jahrzehnts 600 Milliarden Euro in die Aufrüstung pumpen zu können“, kritisierte Bartsch.
Er wandte sich gegen Darstellungen, überbordende Sozialausgaben seien für die Finanznot verantwortlich. „Nein, nicht der Sozialstaat lebt über seine Verhältnisse, nicht die Alleinerziehenden, die Rentner leben über ihre Verhältnisse: Die Aufrüstung lebt über ihre Verhältnisse“, kritisierte Bartsch. Er wies darauf hin, dass die Sozialausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den vergangenen Jahren nicht angestiegen seien.
Als Ausweg forderte Bartsch Korrekturen auf der Einnahmeseite. Notwendig sei etwa eine Reform der Erbschaftssteuer, verknüpft mit hohen Freibeträgen.
„Würde Vermögen in Deutschland besteuert wie in Frankreich, Großbritannien oder den USA, könnten 80 bis 120 Milliarden Euro pro Jahr mehr eingenommen werden“, argumentierte der Linken-Politiker. (lem)
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