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Mieterstadt Berlin: Der Deckel ist weg, es brodelt weiter.

© Christoph Soeder/dpa

Bundesgesetz könnte die Länder ermächtigen: Ein anderer Mietendeckel ist möglich – und konsequent

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden und Berlin seinen Weg versperrt. So funktioniert Recht. Aber die Politik bleibt handlungsfähig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Natürlich knallten die Korken in der Berliner Immobilienwirtschaft, als das Bundesverfassungsgericht den Preisdeckel vom brodelnden Topf fliegen ließ. Alles andere wäre Heuchelei. Und natürlich waren Mietende enttäuscht; nicht zuletzt jene, die Geld für höhere Mieten hätten, dies verständlicherweise aber anders ausgeben möchten. Der Beschluss hat etwas Konflikthaftes, Hochpolitisches. So scheint es.

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Aber das stimmt nicht. Es war nur Recht. Und zwar Recht, wie man es erwarten durfte. Treu in der bisher gefahrenen Spur. Berechenbar. Man könnte auch sagen: konservativ.

So sind Urteile aus Karlsruhe übrigens öfter, als es öffentlich wahrgenommen wird. Ein Motor der Entwicklung ist das Verfassungsgericht bei gesellschaftspolitischen Themen, Stichwort Sterbehilfe oder homosexuelle Partnerschaften. Bei wirtschaftspolitischer Materie ist man zurückhaltend. Dem entspricht die klare Acht-zu-null-Haltung der Richterinnen. Fast hatte es etwas Züchtigendes: Wo kommen wir da hin?

Die Idee war originell, die Argumente waren gut

Dabei ging es jedoch nicht um den Deckel an sich. Es ging nur um die Anmaßung, ihn entgegen der Bundeskompetenz als Landesgesetz beschlossen zu haben. Die Idee war übrigens originell und ist mit juristischen Argumenten durchaus zu begründen, zumal die Zuständigkeit für das „Wohnungswesen“ nach der Föderalismusreform 2006 auf die Länder übergegangen war.

Aber sie verließ eine eingefahrene Spur, das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), und versuchte, neben dem Mietrecht als Privatrecht ein zweites Mietrecht zu installieren, als öffentliches Recht und Landesrecht. Eine Art Revolution. Kein Wunder, dass viele Juristen und Gutachten warnten. Wer in der Spur bleibt, bekommt vor Gericht eher recht; so funktioniert Jura nun mal. Kreative und Revolutionäre suchen sich deswegen meist andere Berufe.

Sollte man? Das ist Politik

Juristische Spuren markieren immer auch eine Bahn. Auf der kann es weitergehen. Man nehme das BGB, „die zentrale Kodifikation des deutschen allgemeinen Privatrechts“, wie Wikipedia schreibt. Leitgedanke ist die Privatautonomie. Ein Ausdruck davon: Vertragsfreiheit. Ein Konzept, das, wie man weiß, unter Druck gerät, wenn sich nicht mehr gleich und gleich gegenüberstehen, sondern zum Beispiel Vermieter und Mieterin.

Deshalb gibt es den Mieterschutz, das „soziale“ Mietrecht im BGB. Und ein Instrument wie etwa die Mietpreisbremse. Man könnte da anknüpfen.

Irgendwas mit Deckel wäre in dieser Spur keine Revolution, sondern letztlich eine Fortschreibung. „Der Begriff des bürgerlichen Rechts wurde von jeher als entwicklungsoffen angesehen“, schreiben die Richterinnen und zeigen an, dass es „Sondergesetze“ geben dürfe, sogar einen „Rückgriff auf verwaltungsrechtliche Instrumente“, wie der Berliner Deckel ihnen nahe kam. So könnte etwa ein Bundesgesetz die Länder ermächtigen, entsprechende Maßnahmen zu erlassen. Möglich wäre vieles. Ob man sollte? Das ist Politik. Juristen haben dazu keine Meinung.

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