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Wurde Brisanz der Lage ignoriert?: Bundestag setzt Untersuchungsausschuss zu Afghanistan-Abzug ein
Der Ausschuss soll aufklären, wie es zum überstürzten Abzug der Bundeswehr kam. Wurden Warnungen ignoriert? Das könnte Folgen für zukünftige Einsätze haben.
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Der Bundestag hat einen Untersuchungsausschuss zum überstürzten Afghanistan-Abzug der Bundeswehr und ihrer Verbündeten eingesetzt. Die Abgeordneten nahmen in der Nacht zum Freitag einen entsprechenden Antrag an, der von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP sowie von CDU/CSU eingebracht worden war.
Im Zentrum des Untersuchungsauftrags sollen die Ereignisse stehen, die zu der dramatischen Evakuierungsaktion im August vergangenen Jahres nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban führten.
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Der Ausschuss soll laut dem Beschluss aufklären, "wie es zu den Lageeinschätzungen und Entscheidungen von Vertretern von Bundesbehörden rund um den Abzug der Bundeswehr" gekommen ist. Zentrale Frage ist dabei, ob deutsche Regierungsstellen und Behörden die Brisanz der Lage nicht rechtzeitig erkannten und Warnungen ignorierten - und ob die Evakuierungsaktion für das Personal der deutschen Botschaft und deutsche Staatsbürger sowie der Schutz von Ortskräften deshalb zu spät veranlasst wurde.
Beleuchtet werden soll dabei auch die Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten und auf EU- und Nato-Ebene. Der Untersuchungsausschuss soll dann Empfehlungen geben, "ob und inwiefern aus dem vorliegenden Untersuchungsthema Schlussfolgerungen" gezogen werden sollten für künftige Einsätze der Bundeswehr und die Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich lediglich auf die Periode von Ende Februar 2020 bis Ende September 2021 - also auf die Schlussphase des rund 20 Jahre währenden Einsatzes am Hindukusch.
Am Freitagnachmittag soll der Bundestag zudem eine Enquete-Kommission zu "Lehren" aus dem gesamten Afghanistan-Einsatz für künftige Missionen einsetzen. Auch dieser Antrag wird durch die Ampel-Parteien und die Union getragen. Die Kommission soll nach der Sommerpause 2024 ihre Ergebnisse und Empfehlungen vorlegen.
Der Untersuchungsausschuss betrachtet einen Zeitraum, der mit dem 29. Februar 2020 beginnt. An diesem Tag hatte die US-Regierung mit den Taliban das sogenannte Doha-Abkommen unterzeichnet. Die Islamisten verpflichteten sich damals im Gegenzug für den Abzug der US-Truppen unter anderem zu Friedensgesprächen und der Beteiligung an einer inklusiven Regierung - wozu es letztlich nicht kam. Schlusspunkt der Untersuchung soll der 30. September 2021 sein - ein Monat, nachdem die letzten US-Soldaten den Flughafen Kabul verließen. Dort hatten sich in der zweiten Augusthälfte dramatische Szenen abgespielt, als zahlreiche Menschen das Land verlassen wollten. (AFP, dpa)
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