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Europawahl: Bürger und Pflichten

Mit europaweit rund 43 Prozent setzt sich der Negativtrend bei der Beteiligung an der Wahl zum Europaparlament weiter fort.

Berlin - Für den Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer von der FU Berlin ist die sinkende Wahlbeteiligung aber kein Ausdruck wachsender Politikverdrossenheit. Vielmehr werde ein Bezug der in Brüssel getroffenen Entscheidungen zum eigenen Leben nur von den wenigsten Europäern hergestellt.

Vor allem im Osten und Südosten Europas war das Interesse der Bürger an der Europawahl besonders gering. In der Slowakei gab nicht einmal jeder fünfte Wahlberechtigte seine Stimme ab. Von der geringen Beteiligung profitierten in mehreren Ländern EU-kritische Parteien.

Eine überdurchschnittlich hohe Beteiligung an der Abstimmung gab es dagegen in den EU-Ländern mit Wahlpflicht: Belgien, Griechenland, Italien, Luxemburg und Zypern. Zwar gingen die Zahlen auch in diesen Ländern zurück, dennoch können sie eine Beteiligung von teilweise deutlich mehr als 50 Prozent vorweisen. Spitzenreiter sind Luxemburg mit 91 Prozent und Belgien mit 85,9 Prozent.

Die Einführung einer Wahlpflicht in Deutschland sehen Experten jedoch kritisch. Wichtiger sei es, den Wählern klarzumachen, dass sehr wohl ein Bezug von EU-Parlamentsentscheidungen zu ihrem Alltag bestehe, sagte Niedermayer. Als Beispiel verweist er auf die verpflichtende Einführung von Energiesparlampen, die das Europäische Parlament durchgesetzt hat. Auch Joachim Fritz-Vannahme von der Bertelsmann-Stiftung sieht eine Wahlpflicht skeptisch: Vor allem den neuen EU-Mitgliedern im Osten wäre so ein Schritt nur äußerst schwer zu vermitteln. Immerhin hatten die kommunistischen Regime dieser Länder faktisch darauf bestanden, dass die Bürger ihre Stimme abgeben.

Hinzu kommt, dass der Wahlpflicht in den Ländern, die sie gesetzlich verankert haben, doch größtenteils nur symbolische Wirkung zukommt. In Italien ist eine Geldstrafe vorgesehen, die aber regelmäßig nicht durchgesetzt wird. Die hohe Beteiligung in diesen Ländern hat andere Gründe: „Die Italiener sind lieber Brüsselianer als Römer“, so Fritz-Vannahme. Sie sähen in der Wahl zum Europaparlament die Möglichkeit, ihr eigenes Land „auf dem Umweg über Europa“ zu verändern und so gegen die „permanente italienische Krise“ zu kämpfen. In Malta dagegen gingen 78,8 Prozent zur Abstimmung – ganz ohne Wahlpflicht.

Sven Bischoff

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