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Cheng Guangcheng (rechts).

© dpa

Ein heikler Fall: China und USA streiten um geflohenen Menschenrechtler

Eigentlich wollten USA und China über Strategie und Wirtschaft verhandeln. Doch nun müssen sie eine diskrete Lösung für einen Menschenrechtler finden.

Kurt M. Campbell hatte es eilig. Der US-Ministerialdirektor wurde schon fünf Tage vor Beginn der vierten Runde des „Strategischen und Ökonomischen Dialogs“ zwischen China und den USA in einem Hotel in Peking gesichtet. Einen Tag später traf Vizestaatssekretär William J. Burns in der chinesischen Hauptstadt ein. Doch anstatt wichtige außenpolitische Themen wie Iran oder Syrien vorzubereiten, dürften beide mit ihren chinesischen Gesprächspartnern einen ganz anderen Fall verhandeln: Welche Lösung gibt es für den blinden Menschenrechtsanwalt Chen Guangcheng, der sich in China in US-amerikanischer Obhut befinden soll?

Offiziell will keine der beiden Regierungen Verhandlungen bestätigen, auch nicht, dass sich Chen Guangcheng, wie von seinen Freunden berichtet wird, in der US-amerikanischen Botschaft in Peking befindet. US-Präsident Barack Obama verweigerte auf einer Pressekonferenz mit dem japanischen Premierminister Yoshihiko Noda jeden weiteren Kommentar, er sagte lediglich: „Mir sind die Presseberichte über die Situation in China bekannt.“ Nach Angaben des Präsidenten der christlichen Menschenrechtsorganisation China-Aid, der zuletzt sowohl mit Chen als auch mit US-Beamten in Kontakt gestanden hatte, würden beide Regierungen den Fall am liebsten so schnell wie möglich lösen, damit er nicht die am Donnerstag beginnenden Gespräche stört, zu denen US-Außenministerin Hillary Clinton mit rund 200 Beamten reist.

„Ich glaube, die Lösung wird eine Ausreise der gesamten Familie in die USA sein“, sagte Bob Fu von China-Aid. Sie werde unter dem Vorwand einer medizinischen Behandlung in den USA stattfinden. Bei dieser Lösung könnte China am besten sein Gesicht wahren. „Es ist jetzt ein diplomatischer Fall und beide Seiten wollen ihn so schnell wie möglich lösen“, sagte Bob Fu. „Wenn China seine Ausreise ermöglichen will, sind die USA bestrebt, ihn zu beenden.“ Zwar hatte Chen Guangcheng, der sich in seiner Heimat für die Opfer von Zwangsabtreibungen eingesetzt hatte, den Gang ins Exil bislang abgelehnt. Doch nun habe er eingesehen, dass eine Rückkehr nicht möglich sei. „Er würde aber nicht ohne seine Familie gehen.“

Es gibt allerdings auch Stimmen, die nicht an eine einfache Lösung glauben. Die „New York Times“ zitiert einen Diplomaten aus dem chinesischen Außenministerium, der sagt: „Ich sage voraus: Wenn er wirklich in der US-Botschaft ist, wird er dort jahrelang nicht herauskommen.“

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