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Politik: Cool Britannia

Von Moritz Schuller

Mahmud Ahmadinedschad blieb bis zum Ende dabei, dass die britischen Soldaten weit in iranische Gewässer eingedrungen waren. Dabei zeigt die Entführung der Seeleute nur eines: wie meilenweit der Iran von der zivilisierten Staatengemeinschaft entfernt ist. Dass der iranische Präsident die Soldaten nun generös „begnadigt“ und sich in einer Pressekonferenz über die Familienwerte des Westens mokiert, klingt, als schriebe ihm die britische Komikergruppe „Monty Python“ seine Reden. Doch der Streit um die genaue Position der aufgegriffenen Seeleute von der Fregatte „Cornwall“ im Schatt al Arab war keine Farce, sondern eine durchaus gefährliche außenpolitische Krise.

Tony Blair hat diese Krise, die einen weiteren Schatten auf seine letzten Wochen im Amt zu werfen drohte, souverän gemeistert. Gegen allen Druck, härter gegen den Iran vorzugehen, hat sich die britische Regierung zurückgehalten. Blair persönlich äußerte sich spät, zu spät, wie ihm auch vorgeworfen wurde, um den Konflikt, der nicht ohne die historisch schlechte Beziehung zwischen Großbritannien und dem Iran zu verstehen war, nicht weiter zu verschärfen. Der diplomatische Weg hat sich offenbar ausgezahlt. Ob oder wie weit die britische Regierung den Iranern am Ende politisch oder materiell entgegenkam, ist noch unklar. Sie hat es aber allein durch ihre Diskretion in den vergangenen Tagen ermöglicht, dass die Iraner ohne großen Gesichtsverlust aus der Situation herauskommen konnten.

Das war vor allem deshalb klug, weil der Iran in diesem Fall wieder einmal jene vielgesichtige Gestalt gezeigt hat, die jede politische Auseinandersetzung mit dem Land so kompliziert macht. Wer den Befehl gegeben hat, die britischen Soldaten festzusetzen, ist ebenso unklar wie die inneriranische Auseinandersetzung, die schließlich zu der gestrigen Freilassung geführt hat. So wie sie abgelaufen ist, kann die Affäre auch von allen Kräften des Landes instrumentalisiert werden: Die Hardliner haben der arabischen Welt gezeigt, dass sich der Iran auch von den Briten nicht einschüchtern lässt, die Moderaten können den vermeintlich guten Ausgang als Erfolg der Diplomatie präsentieren. Und die Videos, auf denen die britischen Soldaten ihr Verbrechen „gestehen“, sind abgedreht und nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Die Entführung samt medialer Einrahmung war aus Sicht der Iraner zweifellos ein voller Erfolg. Blair, dessen Landsmänner immer lauter fragen, warum sich britische Seeleute überhaupt dort aufhalten müssen, hat dagegen eine Niederlage vermieden.

Der Westen, und bezeichnenderweise auch der amerikanische Präsident, haben sich in der Bewertung der Krise auf Drängen der Briten bisher zurückgehalten. Nun ist es Zeit, den Vorgang als das zu definieren, was er war: ein Akt der Barbarei. Dass er in diesem Fall besonders dreist war, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er Teil des außenpolitischen Repertoires des Iran ist. In Gaza bleibt ein BBC-Reporter entführt, und auch drei israelische Soldaten sind weiterhin in der Hand von Gruppierungen, die vom Iran unterstützt werden. Zu dieser Art, Politik zu betreiben, wäre längst auch ein Wort aus der arabischen Welt fällig.

Der Iran hat sich, wieder einmal, als ein Land zu erkennen gegeben, das sich an Regeln nicht hält und für Willkür und „Geschenke“ sehr viel übrig hat. Das ist nicht ermutigend, wenn man bedenkt, dass der Westen gerade damit beschäftigt ist, ebendieses Land davon abzuhalten, sich mit Atombomben zu bewaffnen.

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