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Politik: „Darauf können Sie wetten“

SPD-Chef Kurt Beck philosophiert über seine Partei und hält auch seinen Vize Steinmeier für einen aussichtsreichen Wahlkämpfer

Der eine sieht so gebräunt und entspannt aus, als komme er direkt aus dem Urlaub. Der andere wirkt so geschafft, als habe er dringend ein paar Tage in der Sonne nötig. Beide sitzen am Donnerstag abend am Stammsitz von Henkell & Söhnlein vor einer Flasche Sekt. Aber sie sind nicht gekommen, um anzustoßen.

Seit Jahrzehnten lädt die Unternehmensgruppe Kunden, Lieferanten und Honoratioren zu einem Forum mit bekannten Politikern ein. Helmut Schmidt war schon da, Joschka Fischer, Angela Merkel. Im vergangenen Jahr stellte sich EU-Kommissar Günther Verheugen den Fragen von Ulrich Wickert. Diesmal haben sie Wickerts Nachfolger als Tagesthemen-Moderator, Tom Buhrow, nach Wiesbaden kommen lassen, damit er SPD-Chef Kurt Beck interviewt.

Ausgerechnet Wiesbaden. Verwunderlich, dass Beck den Termin nicht abgesagt hat. Denn Wiesbaden ist zur Chiffre für die Misere der Bundes-SPD und ihres Vorsitzenden geworden. In Wiesbaden wollte die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti mit Becks Billigung ein hochriskantes Experiment wagen und sich mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen lassen. Der Versuch scheiterte lange vor der konstituierenden Sitzung des Landtags an diesem Samstag am Widerstand der Darmstädter Abgeordneten Dagmar Metzger. Geschadet hat der Wortbruch aber nicht Andrea Ypsilanti, die bis heute eine fast schon sektenartig überzeugte Landes- SPD hinter sich weiß. Sondern Kurt Beck. Womöglich kostet er ihn die Kanzlerkandidatur.

Es dauert keine zehn Minuten, bis Buhrow bei Becks Kursschwenk im Umgang mit der Linkspartei angelangt ist. Er fragt nach Becks Motiv, kurz vor der Hamburg-Wahl in einem Hintergrundgespräch Ypsilantis Vorhaben in Hessen anzudeuten. Beck versichert, dies sei keine Absicht gewesen: „Es war kein Testballon.“ Ob es zutreffe, dass Beck eigentlich gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken in Hessen gewesen sei, sich aber Ypsilantis Strategie gebeugt habe, will Buhrow wissen. Beck verneint. Den Ländern im Westen freie Hand zu lassen – diese neue Strategie sei notwendig gewesen, damit „man politisch nicht zur Bewegungslosigkeit verdammt wird“. Aber dann lässt der SPD-Chef doch Distanz zu Ypsialntis Hessen-Experiment erkennen. „Ich habe auf jeden Fall deutlich auf das Risiko hingewiesen.“

Beck wirkt gefasst, auch wenn ihm die Anspannung der vergangenen Wochen anzusehen ist. Dennoch klingt er bei der Kanzlerkandidatenfrage inzwischen weniger selbstbewusst als noch vor acht Wochen. Resignation? Trotz? Eine Mischung aus Beidem? Der Frage, ob er Buhrow davon abraten würde, auf seine Kandidatur zu wetten, weicht er aus. „Dass der Beck die Flinte nicht ins Korn wirft, darauf können sie wetten.“ Später verrät Beck aber, dass seine Frau ihn in der letzten Zeit wieder einmal gefragt habe, warum er sich das alles noch antue. Hat er in der Krise wirklich nicht ans Hinschmeißen gedacht? Bitternis sei schon aufgekommen, gibt er zu. „Aber ich hätte es mir gar nicht erlaubt“, fügt er hinzu. Und dann beantwortet Kurt Beck eine Frage zu den Chancen eines Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier. Der könne, auch wenn er noch nie einen Wahlkampf geführt habe, „ganz sicher“ eine Wahl gewinnen. Becks Gegener in der Partei dürften bei solchen Sätzen aufhorchen. Vielleicht stoßen sie auch an.

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