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Holzschachteln mit explosiver Munition lagern in Bulgarien (Archivbild).

© Vassil Donev/dpa

Das fünfte Mal in elf Jahren: Was eine Explosion in Bulgarien mit dem Ukraine-Krieg zu tun haben könnte

An den früheren Explosionen in Waffendepots soll der russische Geheimdienst beteiligt gewesen sein. Der Besitzer wurde 2015 mit Nowitschok vergiftet.

Die Explosion eines Munitionslagers in Bulgarien wirft erneut die Frage auf, inwieweit russische Geheimdienste im ehemaligen Satellitenstaat Russlands Einfluss nehmen. Der Vorfall ereignet sich zu einer Zeit höchster politischer Instabilität in dem Land.

Die bulgarische Regierungskoalition unter Ministerpräsident Kiril Petkow war wegen Unstimmigkeiten über Militärhilfe für die Ukraine in eine Krise geraten, nun steht Bulgarien nach einem Misstrauensvotum gegen Petkow zum vierten Mal in anderthalb Jahren vor Neuwahlen. Zuvor hatte Bulgarien abgelehnt, Waffen an die Ukraine zu liefern. Medienberichten zufolge sollen allerdings inoffiziell Munition und 152-mm-Haubitzen über Polen an die Ukraine geliefert worden sein.

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Das Munitionslager, das am frühen Sonntagmorgen explodierte, gehört einem der größten Waffenhersteller des Landes, Emco. Der Besitzer der Firma, Emilian Gebrew, ist der bulgarischen Staatsanwaltschaft zufolge 2015 Opfer eines Mordanschlag mit dem Giftstoff Nowitschok geworden.

Russlands Geheimdienst FSB benutzte Nowitschok bereits, um den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny im Jahr 2020 zu vergiften. Auch Alexej Skripal und seine Tochter sind im Jahr 2018 damit vom Militärgeheimdienst GRU vergiftet worden.

Das Feuer, das die Explosionen ausgelöst hatte, konnte von der lokalen Feuerwehr gelöscht werden. Die Ortschaft Karnobat, in der sich das Waffenlager befindet, ist allerdings weiterhin abgesperrt. Die Entschärfungsarbeiten an der Munition sollen gesetzestreu erst 72 Stunden nach dem Brand beginnen.

Bereits vier Munitionslager in Bulgarien explodiert, eines in Tschechien

Dabei soll es sich Gebrew zufolge um Munition handeln, die einst „von einem Unternehmen bestellt, aber nicht bezahlt“ worden war. Während der Explosion sollen zwei Sicherheitsleute des Munitionslagers anwesend gewesen sein, wie Gebrew dem Sender „Nova TV“ sagte.

Ein Sicherheitssystem habe eine Bewegung in der Nähe des Waffenlagers gemeldet, woraufhin einer der Sicherheitsleute sich auf den Weg zu dem Depot gemacht haben soll. Verletzt wurde bei der Explosion niemand. Gebrew sagte auch, dass es keine Möglichkeit gebe, dass „ein Naturphänomen“ die Explosion verursacht habe.

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Es ist nicht die erste Explosion in einem Munitionslager in Bulgarien: In den vergangenen zehn Jahren ereigneten sich bereits vier solcher Vorfälle. Zwei davon in Lagerstätten von Gebrews Firma Emco. Auch im tschechischen Dorf Varbetice explodierte im Jahr 2014 ein Waffendepot – kurz, nachdem der Krieg im Donbass im Osten der Ukraine begann.

Gebrews Firma Emco war zu diesem Zeitpunkt Mieter des Depots. „Bellingcat“-Recherchen zufolge soll die Eliteeinheit 29155 des GRU in Verbindung mit der Explosion in Tschechien stehen. Später, im Jahr 2021, beschuldigte auch die tschechische Regierung den GRU und wies daraufhin 18 russische Diplomaten aus.

Zudem wurden drei GRU-Offiziere der Abteilung 29155 – Sergej Fedotow, Sergej Pawlow und Georgi Gorschkow – in Bulgarien für den Giftanschlag auf Emilian Gebrew, seinen Sohn sowie den Direktor von Emco angeklagt. Fedotow wurde auch von den britischen Behörden angeklagt, an der Vergiftung Sergej Skripals beteiligt gewesen zu sein.

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Bulgariens Generalstaatsanwalt Iwan Geschew sagte im April 2021, dass die Explosionen in Bulgarien mit der Vergiftung Gebrews sowie mit der Explosion in Tschechien zusammenhängen würden – allerdings erst, nachdem Tschechien den GRU für die Explosion in Varbetice verantwortlich machte. Unternehmer Gebrew kritisierte in der Vergangenheit häufiger die bulgarische Staatsanwaltschaft und warf ihr vor, den Giftanschlag nicht ambitioniert genug zu untersuchen.

Die erste Explosion in Bulgarien ereignete sich im November 2011: Ein Lagerhaus der Firma Emco im Dorf Lovni Dol in Zentralbulgarien ging damals in Flammen auf – dabei wurden Langstreckengeschosse vernichtet. Zwei Jahre nach der Explosion stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in dem Fall ein.

Die zweite Explosion betraf ein Depot der Firma IMZ Sopot im Dorf Iganovo im Jahr 2015 – ein Teil der zerstörten Munition soll Angaben des Wirtschaftsministeriums allerdings auch Emco gehört haben. Emco bestritt dies. Auch soll der Explosion kein Feuer vorangegangen sein, behauptete Gebrew.

Verbindungen des GRU zum Fall Skripal

Nur einen Monat später explodierte im selben Dorf ein weiteres Mal Munition. Wiederum eineinhalb Monate später brannte ein Gebäude des ehemaligen Instituts für Spezialausrüstung in Sofia. Dabei sollen Beweise für die Explosionen im Depot in Iganovo vernichtet worden sein. Ein Sachverständiger kam damals zu dem Schluss, dass der Vorfall durch Fremdeinwirkung ausgelöst worden sei, wie das bulgarische Online-Medium „24 Chasa“ schreibt.

Zuletzt explodierte im Jahr 2020 ein Lager für Kapselzünder des Waffenherstellers Arsenal in der Nähe von Muglizh. Die Ursachen für die vier Brände ist weiterhin unbekannt. Mittlerweile führt eine Spezialeinheit der bulgarischen Staatsanwaltschaft die Ermittlungen.

Im vergangenen Jahr teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass „in keinem der Fälle“ eine „konkrete technische Störung oder sonstige Brandursachen festgestellt“ werden konnten. In allen vier Fällen seien die zerstörten Waffen und Munitionen zum Export nach Georgien oder die Ukraine gedacht gewesen.

Dieser Darstellung widerspricht Gebrew zwar. Allerdings, so gab Gebrew nach Jahren gegenüber der „New York Times“ zu, exportierte Emco nach Beginn des Krieges im Donbass 2014 tatsächlich Waffen in die Ukraine.

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