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„Das geht nicht von heute auf morgen“: Union will Bundeswehr für Wehrpflicht vorbereiten
Führende Unionspolitiker wie Jens Spahn wollen die Wiedereinführung der Wehrpflicht vorbereiten. Die SPD ist in der Frage gespalten. Verteidigungsminister Pistorius schlägt einen Kompromiss vor.
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In der schwarz-roten Koalition wird intensiv diskutiert, wie ein neuer Wehrdienst für junge Deutsche gestaltet werden soll, während Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet.
Unionsfraktionschef Jens Spahn plädiert dafür, bereits jetzt mit Vorbereitungen für eine Rückkehr zur Wehrpflicht zu beginnen. „Es muss auf jeden Fall eine Struktur bei der Bundeswehr geschaffen werden, die eine zügige Rückkehr zur Wehrpflicht möglich macht. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir müssen mit den Vorbereitungen beginnen“, sagte Spahn der „Rheinischen Post“.
Deutschland müsse wieder verteidigungsfähig werden, dazu gehörten bis zu 60.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten für die Bundeswehr.
„Wenn das über Freiwilligkeit gelingen sollte, gut. Mein Eindruck aber ist, dass wir die Wehrpflicht dafür brauchen werden“, sagte der CDU-Politiker. Die Wehrpflicht war 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Sie galt bis dahin nur für Männer.

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Ähnlich wie Spahn äußerte sich auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte (CDU). Die frühere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) forderte, angesichts der kommenden geburtenschwachen Jahrgänge eine Wehrpflicht für Männer und Frauen einzuführen. Dafür müsste das Grundgesetz geändert werden.
Pistorius plant Zweistufenmodell
In der SPD reagiert man zurückhaltend auf die Forderungen der Union. Falko Droßmann, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir arbeiten hart daran, junge Männer und Frauen für den Dienst in unseren Streitkräften zu begeistern. Dafür muss die Infrastruktur der Bundeswehr massiv verbessert werden und es müssen attraktive und flexible Laufbahnmodelle angeboten werden. Da sind wir mit Hochdruck dran. Wer diese notwendigen Anstrengungen scheut und allein auf Zwang setzt, macht es sich deutlich zu leicht.“
Im Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt das Wort „Wehrpflicht“ nicht vor. Darin heißt es stattdessen: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.“ An einem entsprechenden Gesetzentwurf wird im Verteidigungsministerium längst intensiv gearbeitet. Vorgesehen ist ein Zwei-Stufen-Modell, erfuhr der Tagesspiegel aus Ministeriumskreisen.
Zunächst soll ein freiwilliger Wehrdienst etabliert werden. In dem Gesetz soll aber auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht vorbereitet werden, wenn auf freiwilliger Basis nicht genug junge Menschen zur Bundeswehr gehen. Falls bestimmte Rekrutierungsziele verfehlt werden, soll es jedoch keine automatische Rückkehr der Wehrpflicht geben. Stattdessen soll die Entscheidung darüber wohl beim Bundestag leben. Zunächst hatte über diese Pläne des Verteidigungsministeriums das „Handelsblatt“ berichtet.
Das Haus von Boris Pistorius arbeitet damit an einem Kompromiss zwischen der Haltung der Union, die deren Fraktionschef Spahn verkörpert, und jenem Flügel der SPD, der vor einer Remilitarisierung der Gesellschaft warnt. „Eine womöglich begehbare Brücke“ sah darin der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bereits am Freitag.
Es sollte nicht darum gehen, einen großen Landkrieg in Europa führen zu können.
Ralf Stegner (SPD)
Stegner, der das sogenannte Friedensmanifest einiger SPD-Linker mitinitiiert hat, kann sich eine Wiedereinführung der Wehrpflicht durchaus vorstellen, solange der Bundestag am Ende darüber entscheidet. „Die Entscheidung muss beim Bundestag liegen, ich halte nichts von Blankoschecks“, sagte Stegner. Es komme bei Pistorius’ Gesetzentwurf nun sehr auf das Kleingedruckte an.
Stegner warnt jedoch zugleich vor einer massiven Aufrüstung. Entscheidend sei, wofür die Wehrpflicht wiedereingeführt werden solle, sagte er dem Tagesspiegel. „Es sollte nicht darum gehen, einen großen Landkrieg in Europa führen zu können. Man sollte auch abwarten, ob man durch Nato-Vorgaben wirklich 60.000 zusätzliche Soldaten braucht“, so Stegner.
In der Wehrpflicht-Debatte werden innerhalb der SPD ganz unterschiedliche Positionen vertreten. So können sich manche Aufrüstungsgegner eine allgemeine Dienstpflicht für junge Männer und Frauen, wie sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagen hat, gut vorstellen. Aufgrund des differenzierten Meinungsbilds tut sich die Partei schwer, eine klare Antwort auf die Wehrpflicht-Forderungen der Union zu geben.
Angesichts der Skepsis mancher SPD-Abgeordneter schloss Fraktionschef Matthias Miersch bereits vor einer Woche aus, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Rückkehr der Wehrpflicht beschlossen werden wird. Aber auch Parteilinke betonen, dass an dieser Frage die schwarz-rote Koalition gewiss nicht scheitern wird. (mit dpa)
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