zum Hauptinhalt
Der Präsident auf dem Weg zur Pressekonferenz am 19. Dezember 2013.

© AFP

Putin und seine Propagandamaschine: Das glitzernde Schaufenster Russlands

Putin auf allen Kanälen, das Land in weichgezeichneten Bildern - der Kreml hat die meisten Medien in Russland fest im Griff. Wie funktioniert Putins Propagandamaschine?

Rasant geschnittene Trailer mit Techno-Sound vermitteln Modernität. Reporter sind bei Krisen und Events aller Art in rekordverdächtigem Tempo vor Ort. Muttersprachler präsentieren die Nachrichten in breitestem Texanisch, und US-Quasselkönig Larry King, inzwischen 79, hat wieder eine eigene Talkshow. Wer jetzt an CNN denkt, liegt falsch. Die Rede ist von Russia today, dem russischen Auslandsfernsehen. Ein Sender, der Jahr um Jahr mit einen hohen zweistelligen Millionenbetrag ein Phantom produziert: Russland, das Land der Träume. Die wieder erstarkte Supermacht, Gralshüterin erzkonservativer Werte und dem dekadenten Abendland schon allein deshalb moralisch weit überlegen.

Propaganda, dozierte Putins Pressesprecher Dmitri Peskow kürzlich, sei „ein unveräußerliches Attribut eines jeden Staates“. Auch Russland müsse ein solches Instrument haben. Eines, mit dem die Kremladministration inzwischen sehr gekonnt umgeht. Propaganda deluxe ist, wenn sie sich mit Halbwahrheiten und selektiver Wahrnehmung von Realität so gekonnt tarnt, dass sie nicht mehr als Propaganda zu erkennen ist. Russland hat es dabei bis in die Champions League geschafft. Russia today wird nach eigner Darstellung in den USA dreizehn Mal häufiger gesehen als das TV-Programm der Deutschen Welle und lehrt weltweit inzwischen den Erzkonkurrenten Al Dschasira das Fürchten. Neben einem Vollprogramm in Englisch bietet der Sender auch eines in Arabisch und eines in Spanisch. Denn die Sowjetunion hatte viele Freunde im Nahen Osten und in Lateinamerika.

Demontage der westlichen Klischees

Der Sender wolle die Klischees demontieren, die der Westen zu Russland verbreitet, sagt Margarita Simonjan. Die 33-jährige „irreversibel russifizierte Armenierin“, wie sie sich selbst bezeichnet, hat bei Russia today seit der Gründung 2005 das Sagen und legte eine Medien-Karriere hin, wie Russland sie bisher noch nicht erlebte. Mit 22 – Simonjan war gerade mit dem Journalistik-Studium fertig – wurde sie für das Staatsfernsehen 2002 Korrespondentin für ihre Heimatregion: Krasnodar, zu der auch Sotschi gehört. Ihre Reportagen bestachen vor allem durch betörend schöne Bilder von Kameramann Michail Kertoki. Nur zwei Jahre später wechselte sie in die Zentrale nach Moskau, berichtete fortan aus dem Kreml und begleitete Putin auf Reisen. Er selbst soll die schwarzäugige Schönheit, die damals noch Model-Maße hatte, auf den Chefsessel beim Auslandsfernsehen gehievt haben.

Ursprünglich, so Insider, sollte Simonjan sogar die Mega-Agentur für Auslandsinformation leiten, deren Gründung Putins Administration Mitte Dezember bekannt gab. Rossija sewodnja –Russland heute – heißt sie und umfasst außer Simonjans TV-Sender auch den Radiosender Stimme Russlands, der in mehr als einem Dutzend Sprachen, darunter Deutsch, ausgestrahlt wird, sowie die ebenfalls mehrsprachige Nachrichtenagentur RIA nowosti. Sie bestand schon zu Sowjetzeiten, hieß damals APN und unterstand der Abteilung Auslandsinformation beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei. Im postkommunistischen Russland wurde sie frecher und frischer und ist heute in Russland die am häufigsten zitierte Nachrichtenagentur.

Chef der Mega-Holding fällt durch Schwulenfeindlichkeit auf

Ob das so bleibt, ist ungewiss. Denn in der Chefetage der neuen Mega-Holding sitzt nun Dmitri Kisseljow. Der Mann mit glattrasiertem Schädel und feistem Gesicht moderiert jeden Sonntag im Staatsfernsehen den politischen Wochenrückblick und fällt dort permanent durch Schwulenfeindlichkeit und politisch unkorrekte Parallelen auf, um es milde auszudrücken. So verglich er Bundeskanzlerin Angela Merkel im Frühjahr auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise in Zypern mit Adolf Hitler und das EU-Rettungspaket mit der Enteignung der Juden im Dritten Reich.

Staatssender Rossija ist nach wie vor in vielen Gegenden der einzige überregionale Sender, der in leidlicher Qualität empfangen werden kann. Die meisten Hörfunk-Sender sind ebenfalls staatsnah. Die jeweiligen Gouverneure sorgen dafür, dass auch die regionalen TV-Programme auf Linie bleiben. Sogar im Printbereich, wo Zensur und Selbstzensur weniger streng gehandhabt werden, kontrollieren die Zentralregierung in Moskau und die Verwaltungschefs der Regionen wieder über die Hälfte aller Titel mit politischem Anspruch – und feuern Chefredakteure, von deren Loyalität sie nicht hundertprozentig überzeugt sind. Das widerfuhr auch dem Generaldirektor der staatlichen Nachrichtenagentur Itar-Tass, Vitali Ignatenko. Er musste im September 2012 dem willfährigen, ambitionierten Sergej Michailow weichen – auf Betreiben der Kremladministration.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false