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Bundeskanzler Friedrich Merz bei Wirtschaftskonferenz der „Süddeutschen Zeitung“.

© AFP/Tobias Schwarz

„Das ist doch nicht zu Ende gedacht“: Merz beharrt auf Rentenpaket – und schließt Minderheitsregierung aus

Mehr als ein Dutzend Unionsabgeordnete wollen das Rentenpaket von Schwarz-Rot verhindern. Kanzler Friedrich Merz steht unter Druck wie nie – und kontert auch mit Ironie und einer Portion Spott.

Stand:

Montagvormittag, Berlin, Hotel Adlon, eine Wirtschaftskonferenz der „Süddeutschen Zeitung“, Auftritt Friedrich Merz.

„Ich hätte auch nicht geahnt, dass ich bei der ,Süddeutschen Zeitung’ mal freundlicher begrüßt werde als bei der Jungen Union“, sagt Merz, kaum dass er hinter dem Rednerpult Position bezogen hat: „Aber so ändern sich die Zeiten.“ Einen Moment hält Merz inne. Es werde auch wieder anders werden, prognostiziert er, „bei Ihnen und bei der Jungen Union“.

Augenzwinkernd also, mit Ironie und einer Portion Spott reagiert Merz auf den wohl größten Druck, der seit Beginn seiner Kanzlerschaft im Mai auf ihm lastet.

Hinter Merz liegt ein wenig vergnügliches Wochenende: ein frostiger Empfang beim Deutschlandtag der Jungen Union, abermals eigene Ungeschicklichkeiten – vor allem aber die Weigerung von 18 Unionsabgeordneten, dem vom Kabinett Merz verabschiedeten Rentenpaket im Bundestag zuzustimmen. Verbunden mit einer kompromisslosen Haltung des Juniorpartners SPD, bissigen Bemerkungen von CSU-Chef Markus Söder und Überlegungen in der Union, ob nicht ein Bruch der Koalition die beste aller Möglichkeiten sei.

Bei seiner Rede am Montagvormittag versucht Merz, den Renten-Krach herunterzuspielen. Er redet über das ganz große Bild, die ganz großen Linien, über Deutschlands Zukunft, Europa, die Welt, das Ende einer Weltordnung nach 80 Jahren. Dabei sollte niemand Merz Schönfärberei vorwerfen.

Die Stimmung im Lande sei wie das Wetter draußen, „trüb und regnerisch“, sagt Merz im wohlig warmen Hotel Adlon. Deutschland sei „zu träge, zu langsam, zu bürokratisch“.

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In Sätzen wie diesen blitzt der Reformer Merz auf, der vor seiner Kanzlerschaft immer wieder angetrieben und Reformen angemahnt hat. Mancher in seiner Partei aber wirft ihm vor, längst reformmüde zu sein, der reformmüden SPD zu sehr entgegenzukommen.

Auch diesen parteiintern gefährlichen Vorwurf versucht Merz zu verwischen. Eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, so leitet er diese Redepassage ein, sei nötig. Er redet aber erst einmal über Industriestandort und Krankenversicherung, bis er dann zur Rente kommt.

Im Koalitionsvertrag sei es möglich gewesen, mit der „Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“, wie Merz die SPD zweimal ausbuchstabiert, drei Renten-Säulen (gesetzlich, betrieblich, privat) zu fixieren. Das wäre vor einigen Jahren mit jener Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wahrscheinlich noch nicht möglich gewesen. Er sage das „mit allem Respekt“.

Thema Renten-Krach erst auf Nachfragen

Nicht in seiner Rede, sondern erst in der Fragerunde, geht Merz darauf ein, wie er den Renten-Krach beenden will. „Miteinander reden“ und er habe ja „einen Vorschlag gemacht, wie man es möglicherweise lösen kann“. Damit bezieht er sich auf seinen Hinweis in einem spontan anberaumten ARD-Interview am Sonntagabend. Hier hatte er einen „Begleittext“, etwa einen Entschließungsantrag des Bundestages mit einem Bekenntnis zu einer grundlegenden Rentenreform ab 2032, in Aussicht gestellt.

Glaubt denn irgendjemand ernsthaft, wir könnten in diesem Deutschen Bundestag mit wechselnden Mehrheiten arbeiten und dann noch vernünftige Gesetzgebungsarbeit machen?

Friedrich Merz (CDU), Bundeskanzler

Interessant ist auch, was Merz nicht sagt: Er verzichtet auf einen Appell an Unionsfraktionschef Jens Spahn, für Fraktionsdisziplin zu sorgen, mithin die Renten-Rebellen einzufangen. Merz verzichtet ebenfalls auf eine Bitte an die SPD zu Kompromissbereitschaft, etwa den umstrittenen Satz zur Rente nach 2031 fallen zu lassen. Die Namen der Fraktionschefs Spahn und Matthias Miersch, die nun am Zuge sind, lässt er gänzlich unerwähnt.

Ablehnend reagiert Merz auf Vorstöße von Familienministerin Karin Prien und CDU-Arbeitnehmervertreter Dennis Radtke, die für Dezember geplante Abstimmung zu verschieben. „Ich wünsche mir“, sagt Merz, „dass wir diese Diskussion zum Jahresende abgeschlossen haben.“ Er verweist auf den Zeitdruck. So soll die Aktivrente, das Prestigeprojekt seiner Partei, zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. Dafür müsse, nach dem Bundestag, der Bundesrat noch zustimmen, geplant am 19. Dezember.

Ob denn die Koalition überhaupt halte, fragt SZ-Chefredakteurin Judith Wittwer am Ende. „Ja, selbstverständlich“, sagt Merz. Und er „nehme mal die Gelegenheit wahr“, zu den Spekulationen über eine Minderheitsregierung etwas zu sagen: „Mit Verlaub, das ist doch nicht zu Ende gedacht.“ In Deutschland habe es das noch nie gegeben, sagt Merz, und lässt damit die rot-grüne Minderheitsregierung Scholz/Habeck (November 2024 bis Mai 2025) unter den Tisch fallen.

„Glaubt denn irgendjemand ernsthaft“, fragt Merz, „wir könnten in diesem Deutschen Bundestag mit wechselnden Mehrheiten arbeiten und dann noch vernünftige Gesetzgebungsarbeit machen? Das ist aus meiner Sicht ausgeschlossen.“ Diese Worte sind ein Fingerzeig an die eigenen Truppen; es klingt ein wenig wie das Pfeifen im Walde. Für einen Erfolg seiner Regierung, sagt Merz, werde „er jeden Tag arbeiten, selbst mit leichter Erkältung“.

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