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Die Ausländer - eine Ordnungsangelegenheit oder Bürger:innen? Die Ampel versucht einen Perspektivwechsel

© Doris Spiekermann-Klaas

Migrationspaket der Ampel: Das Kleingedruckte entscheidet

Absicht und Richtung von Faesers erstem Migrationspaket stimmen. Ein Erfolg wird es nur, wenn die Regierung sich auch um die Umsetzung kümmert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Andrea Dernbach

Über Jahre hinweg verhießen „Pakete“ in der Migrationspolitik selten Gutes. Die Asylpakete, die im langen Sommer der Migration 2014 bis 2016 einander förmlich jagten, waren alle eines Geistes Kinder: Abwehr. Die „Flut“ sollte eingedämmt, Menschen abgeschreckt werden und der AfD, die die Welle dankbar ritt, das Wasser – wir bleiben im Bild – möglichst abgegraben.
Das Paket, das jetzt eine neue regierende Mehrheit geschnürt hat, ist von anderer Art. Ein Stück Zeitenwende auch hier: SPD, Grüne und FDP versuchen es zur Abwechslung mit moderner und mutiger Einwanderungspolitik: Die unselige Duldung wird für viele Betroffene enden. Sie bedeutete, ganz ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland zwar zu leben, aber amtlich kein Leben zu haben.

Viele Einwanderungsgesetze sind bereits liberal - die Praxis erstickt sie

Was Folgen natürlich auch fürs wirkliche Leben hatte. Wer ständig damit rechnen muss, abgeschoben zu werden, entwickelt selbst keine Perspektive und bekommt auch höchstens ausnahmsweise eine Chance, zum Beispiel auf eigenen Lebensunterhalt. Wer will schon Mitarbeitende, die von heute auf morgen abgeschoben werden können? Im Migrationspaket I, das Bundesinnenministerin Nancy Faeser letzte Woche durchs Kabinett brachte, ist auch vorgesehen, mehr Menschen bessere Bleiberechte einzuräumen – integrierten jungen Leuten zum Beispiel – und sogar den Fetisch „Sprachkenntnisse“ etwas abzurüsten. Für dringend gesuchte Fachkräfte entfallen sie. Was nachholend dem gesunden Menschenverstand recht gibt und implizit einräumt, dass die Sprachanforderung stets als Hürde geplant war, nicht als Hilfe für Einwandernde. Natürlich ist Sprache unendlich wichtig. Aber wessen Fähigkeiten hier gebraucht werden, die oder der lernt Deutsch „on the job“.

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Vom Perspektivwechsel spricht Ministerin Faeser also zurecht. Er kann nur praktisch werden, wenn es beim Gesetz nicht bleibt, sondern die Behörden, die es umsetzen sollen, ertüchtigt werden und hie und da auch selbst ihre Perspektive wechseln. Zu oft scheitern gute Absichten an schlechter Umsetzung oder an Widerstand an ganz anderer Stelle. Schon seit Jahren zum Beispiel hat Deutschland – in weiten Teilen unter Kanzlerin Merkel verabschiedet – liberale Regeln zur Arbeitsmigration.

Eine Eins für die gute Absicht

Aber an die dafür nötigen Visa zu kommen, ist für Menschen aus armen Ländern ein Ding der Unmöglichkeit. In Zukunft will die Ampel auch Einbürgerung erleichtern, was lange hier lebenden Ausländern ebenso nützen würde wie dem deutschen Staat. Aber schon jetzt ächzen die zuständigen Ämter unter Personalmangel. Eine Eins für die Absicht also. Auch für den Symbolwert dieses Schritts. Real wird er aber erst, wenn die Ampel sich auch ums Kleingedruckte kümmert.

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