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Am Meer. So soll das geplante Atomkraftwerk aussehen, wenn es irgendwann einmal gebaut werden sollte. Großbritannien diskutiert seit zehn Jahren über das Projekt Hinkley Point C. Die Animation hat EDF erstellt.

© AFP/EDF Energy

Das Projekt Hinkley Point C: Nachdenken über Atomkraft

Großbritanniens Premierministerin Theresa May zögert mit der endgültigen Entscheidung zum Bau von Hinkley Point C. EDF hat sich trotz wirtschaftlicher Bedenken dafür entschieden.

Nur ein wenig mehr Geduld müsse EDF noch haben, schreibt Vincent de Rivaz. Er ist der Chef des britischen Ablegers des französischen staatlichen Energiekonzerns. In einem Brief an die Mitarbeiter warb er dafür, das Projekt Hinkley Point C nicht verloren zu geben, auch wenn sich die neue Premierministerin Theresa May nun doch noch bis September Zeit nehmen will, um zu entscheiden, ob das neue Atomkraftwerk in Somerset wirklich gebaut werden soll.
Nur einen Tag vorher hatte der EDF-Aufsichtsrat knapp mit zehn zu sieben Stimmen beschlossen, Hinkley Point gegen alle wirtschaftlichen Bedenken doch zu bauen. Unmittelbar davor war Gérard Magnin aus dem Gremium zurückgetreten. In seinem Rücktrittsbrief schrieb er: „Hoffen wir, dass Hinkley Point EDF nicht in den gleichen Abgrund reißt wie Areva.“ EDF hatte den Atomkonzern Areva in diesem Jahr auf Druck der französischen Regierung übernehmen müssen. Der EDF-Konzern hat Schulden in einer Höhe von 37 Milliarden Euro und musste vor zwei Monaten mit drei Milliarden Euro aus dem französischen Haushalt vor dem Bankrott bewahrt werden.

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Seit gut zehn Jahren beschäftigt sich Großbritannien mit der Frage, wie ein klimafreundlicher Energiemix aussehen soll. 2006 legte der damalige Premierminister Tony Blair ein Energiekonzept vor, in dem Atomenergie eine „bedeutende Rolle“ spielen sollte. Zwei Jahre später entschied die Regierung, EDF mit dem Bau von zwei modernen Reaktoren des Typs EPR zu beauftragen. Der inzwischen von EDF übernommene französische Atomkonzern Areva hat den europäischen Druckwasserreaktor (EPR) entwickelt. Neu daran ist eine Betonwanne unter dem Reaktorkern, in den dieser „schadlos“, so das Versprechen, schmelzen könnte, wenn ein Fukushima-ähnlicher Unfall passieren sollte.
Doch der EPR erwies sich insbesondere nach der Katastrophe in Fukushima als schwer verkäuflich. Areva ist pleite gegangen, weil zwei Versuche, ihn zu bauen, sich als wirtschaftliche Himmelfahrtskommandos erwiesen haben. Das finnische Atomkraftwerk in Olkiluoto liegt zehn Jahre hinter dem Zeitplan, und die Kosten haben sich verdreifacht. Der Reaktor in Flamanville im Süden Frankreichs hat sechs Jahre Verspätung, und die Kosten haben sich ebenfalls verdreifacht. Warum der dritte Versuch in Hinkley Point bei den aktuell kalkulierten gut 21 Milliarden Euro bleiben soll, fragt sich derweil auch der britische Rechungshof (NAO). Vor zwei Wochen legte er einen Bericht vor, in dem er vor Kosten für die Steuerzahler in Höhe von rund 35,5 Milliarden Euro warnt.

Die großzügigste Einspeisevergütung aller Zeiten

Dabei hat die britische Regierung einiges unternommen, um die Risiken für EDF und den im vergangenen Oktober mit 33 Prozent eingestiegenen chinesischen Staatskonzern CGN, zu verkleinern. Neben 2,3 Milliarden Euro Kreditsicherungen garantiert die Regierung 35 Jahre lang einen Preis von knapp 12 Cent pro Kilowattstunde Strom, zu Preisen von 2012. Da die Großhandelspreise seit der Vereinbarung des Garantiepreises deutlich gesunken sind, hat sich die Subvention innerhalb von drei Jahren bereits verdoppelt. Zum Vergleich: Bei der jüngsten Auktion für große Solaranlagen in Deutschland ist eine Einspeisevergütung von im Schnitt 7,41 Cent pro Kilowattstunde erreicht worden., die 20 Jahre lang gezahlt wird. Sogar die konservative „Times“, die vor kurzem noch am Klimawandel gezweifelt hat, rät nun zum Ausbau erneuerbarer Energien.

Doch nicht nur die Kosten beunruhigen die britische Regierung. Der wichtigste Berater von Theresa May, ihr Kabinettschef Nick Timothy schrieb im Oktober 2015 auf einer konservativen Internetseite, dass zu befürchten sei, dass die Chinesen die Computersysteme so manipulieren könnten, dass sie die Möglichkeit hätten, die „britische Energieversorgung absichtlich zu unterbrechen“. May soll wegen des chinesischen Einflusses ebenfalls Bedenken haben. Vor Ort in Somerset kommt das nicht gut an. Dort hoffen die Leute auf die versprochenen Jobs. Die oppositionelle Labour-Party übt sich derweil in politischer Dialektik. Die Partei stehe zur Atomenergie, aber Hinkley Point sei ein schlechter Deal, kritisierte die Partei.

Premierministerin Theresa May will sich Zeit nehmen, um das Projekt Hinkley Point C noch einmal zu überprüfen.
Premierministerin Theresa May will sich Zeit nehmen, um das Projekt Hinkley Point C noch einmal zu überprüfen.

© Paul Hackett/REUTERS

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