„Das zermürbt uns doch alle!“: Warum Brinkhaus mit seiner Kritik an Merkels Corona-Kurs recht hat
Der Unionsfraktionsvorsitzende hat einen neuen Ton angeschlagen. Seine Bedenken sind berechtigt – aus mehreren Gründen. Ein Kommentar.
Der Name ist jetzt gerade in aller Munde: Ralph Brinkhaus. Wer hätte das gedacht. Lange schien der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU in der Versenkung verschwunden zu sein, buchstäblich, von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren Getreuen im Kanzleramt dorthin geschickt.
Aber plötzlich taucht er auf – und wie. Seine Kritik an der Corona-Politik: Erst klang sie, wegen der gewünschten Verschärfungen, wie mit Merkel abgesprochen, dann aber gänzlich anders, in neuem Ton, wie eine Generalabrechnung.
Sowohl, was die Finanzen für Corona angeht, deren Summe immer unüberschaubarer wird, dann am Verfahren dieser Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten. Und zu guter Letzt noch an der Kommunikation: „Dieses Scheibchenweise-immer-noch-einen-Draufsetzen, das zermürbt uns doch alle!“
Vielen, im Parlament wie im Land, sprach Brinkhaus aus der wunden Seele. Denn es geht – man frage nur mal Psychologen und Stress Coaches – auf die Psyche, was gegenwärtig geschieht.
Unerwartete Offenheit
Wenn beispielsweise Kanzleramtsminister Helge Braun (eigentlich von Berufs wegen ein Fachmann für Narkose) jetzt plötzlich davon redet, dass Deutschland noch bis März im Lockdown bleiben werde. Nein, Brinkhaus hat Recht, in jeder Hinsicht. Bloß hätte man ihm diese Offenheit nicht zugetraut.
So wie es gerade läuft, denkt doch die Republik, dass das Geld für die Hilfsmaßnahmen vom Himmel fällt. Ist aber nicht so, ist nur eine Wunschvorstellung.
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Der Staat ist kein Mann, der mal eben was aus seiner eigenen Tasche spendiert, wann immer nötig auch mehr – der Staat sind wir. Geld für Notlagen zu beschaffen heißt: Kredit aufnehmen. Auf das Steuergeld von morgen, was bedeutet, dass die nächsten Generationen es abtragen müssen. Kredite sind Schuldentitel!
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Deshalb stößt sich Brinkhaus, Chefparlamentarier der Union, auch daran, dass der Bundestag in der Pandemiepolitik eine untergeordnete Rolle gespielt. Um ein Wort des Linken Bodo Ramelow zu borgen: Das Parlament ist aber keine nachgeordnete Dienststelle des Kanzleramts.
Und die zentralen Entscheidungen zwischen Angela Merkel und den Ministerpräsidenten bedürfen der parlamentarischen Behandlung. Warum? Das Bund-Länder-Gremium ist im Grundgesetz nicht vorgesehen.
Das letzte Wort hat der Souverän
Allzu oft wird der Bundestag erst im Nachhinein, nach den Entscheidungen, in einer Regierungserklärung von Kanzlerin Merkel informiert. Zumal das Haushaltsrecht vornehmstes Parlamentsrecht ist.
Hier geht es um Milliarden über Milliarden, die maßgeblich der Bund aufbringen soll; die Länder wollen nicht in die Vollen gehen, weil dann ihre Kassen schnell wieder leer sind. So viel eigenes Steuergeld (neben ihrem Umsatzsteueranteil) steht ihnen ja gar nicht zur Verfügung.
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Dennoch: Hier kann keine und keiner durchregieren. Das letzte Wort hat der Souverän, in Gestalt der Abgeordneten. Einer von ihnen hat das jetzt deutlich gemacht. Das mag den Regierenden nicht gefallen, nur kommt es darauf nicht an.
Wer Brinkhaus zu maßregeln versucht, so wie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, muss doch wissen: Die Regierenden können sich kein neues Volk wählen – der Souverän allerdings jederzeit neue Regierende. Außerdem haben die das versprochene Langfristkonzept diesen langen Monaten noch immer nicht geliefert.