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Debatte im Bundestag: Grüne Breitseite und schwarzes Gepolter
Erst schmeichelt Friedrich Merz den Grünen, dann poltert er gegen sie. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge kontert und prangert den Kurswechsel der Union an. Das Wichtigste aus der Bundestagsdebatte.
Stand:
Union und SPD machen den Grünen ein Kompromissangebot, um deren Zustimmung zu drei Grundgesetzänderungen zu ermöglichen: Die Schuldenbremse soll nicht nur für Verteidigung, sondern auch für Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie Nachrichtendienste gelockert werden. Außerdem sollen bis zu 50 Milliarden Euro aus dem Infrastruktur-Sondervermögen in den Klimaschutz fließen. Im Lichte dieser Ideen wurde im Bundestag am Donnerstag gestritten.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge konterte umgehend, auch im neuen schwarz-roten Änderungsantrag fehle das Wort „Zusätzlichkeit“ mit Blick auf die geplanten Infrastruktur-Milliarden. Die Grünen fürchten einen Verschiebebahnhof zur Finanzierung von Klientelpolitik. Was von der Debatte darüber wichtig bleibt.
Missglückter Flirtversuch
Erst umschmeichelt Friedrich Merz die Grünen. Er dankt der Fraktions-Spitze für „außerordentlich gute, vertrauensvolle Gespräche“. Die Grünen hätten völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Extra-Geld auch für Klimaschutz zur Verfügung stehen müsse.
Dann aber poltert er: „Was wollen Sie eigentlich in so kurzer Zeit noch mehr als das, was wir Ihnen in den vergangenen Tagen vorgeschlagen haben?“ Im Plenum entsteht große Unruhe, die Grünen sind empört. Ist das der Tonfall, der Merz ans Ziel bringt? Die kommenden Tage werden es zeigen.
Grüne Breitseite
Die zwölfminütige Rede von Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge ist eine einzige Breitseite gegen die Union. Sie seziert den massiven Kurswechsel der Union nach der Wahl.
Dann liefert sie eine Erklärung dafür, warum Merz vor der Wahl nicht wollte, was er nun einfordert: „Weil Sie noch nie in der Lage waren, die Interesse dieses Landes an die erste Stelle zu stellen und nicht die eigenen.“ Sie legt, ebenfalls in Richtung Merz, nach: „Wenn Sie sich fragen, warum die Gespräche mit uns gerade so laufen, wie sie laufen: Weil wir uns nicht auf Ihr Wort verlassen können.“
Die künftigen Koalitionspartner würden sich wohl auch nicht vertrauen, mutmaßt Dröge. Einen anderen Grund gebe es nämlich nicht, die unterschiedlichen Verfassungsänderungen unbedingt zusammen beschließen zu wollen.
Es geht um Kriegskredite, und die SPD macht wieder mit, wie 1914
Jessica Tatti, parlamentarische Geschäftsführerin der Gruppe BSW
Schiefer Vergleich
Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Den Beweis lieferte Jessica Tatti, parlamentarische Geschäftsführerin der Gruppe BSW. „Es geht um Kriegskredite, und die SPD macht wieder mit, wie 1914“, sagte sie.
Ansonsten fielen die BSW-Abgeordneten dadurch auf, als einzige gemeinsam mit der AfD für deren Geschäftsordnungsantrag zu stimmen, durch den die gesamte Debatte abgesetzt worden wäre.
Doppelter Versprecher
Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Christian Görke, redet sich in Rage, weil Union und SPD ihre Vorhaben noch im alten Bundestag durchbringen möchten. Dann aber übertreibt er unfreiwillig: „Sie zetteln hier gerade ein Verfahren an, um drei Grundgesetze zu ändern.“ Die Korrektur stimmt auch nicht: Er meine drei Paragrafen, schiebt Görke hinterher. Paragrafen hat das Grundgesetz allerdings gar nicht – sondern Artikel.
Ich bin froh, dass ich den nächsten deutschen Bundeskanzler nicht mitwählen muss.
Der scheidende SPD-Bundestagsabgeordnete Brian Nickholz
Schwarz-rote Stimmung
Bei der Union gibt man sich betont freundlich in Richtung SPD, klatscht demonstrativ für deren Redebeiträge. Umgekehrt ist die Begeisterung etwas kleiner. Auch verschweigen die Sozialdemokraten in ihren Redebeiträgen nicht, dass Friedrich Merz inhaltlich gerade so einige Kehrtwenden hinlegt.
Und gegen Ende der Debatte wird der SPD-Abgeordnete Brian Nickholz, der es nicht wieder in den Bundestag geschafft hat, sehr deutlich: „Ich bin froh, dass ich den nächsten deutschen Bundeskanzler nicht mitwählen muss“, sagt er.

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Selektives Gedächtnis
Friedrich Merz zitiert sich selbst: Schon am 13. November habe er gesagt, dass nur einige Vorschriften der Schuldenbremse unverhandelbar seien, über den Rest könne man reden.
Was Merz unterschlägt: Das Zitat ist zwar echt, aber nur eines unter vielen anderen, in denen er kategorisch ausgeschlossen hatte, die Schuldenbremse anzutasten. Zuletzt noch zwei Tage nach der Wahl: „Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren“, sagte er da.
Liberale Perspektive
FDP-Fraktionschef Christian Dürr erinnert an einen Merz-Satz aus der jüngsten Zeit, der aus Sicht der Liberalen das Skandalöse an der derzeitigen Lage auf den Punkt bringt. Vieles, fast alles, was Schwarz-Rot vorschlage, sei „von den Grünen in der letzten Wahlperiode schon einmal vorgetragen worden“, hatte Merz argumentiert. Nun mache die Union den Weg frei für linke und grüne Wirtschaftspolitik, empört sich Dürr.
Auf Wiedervorlage
„Können wir uns eigentlich wirklich leisten, dass das scheitert?“, fragt Lars Klingbeil. „Meine klare Antwort ist: Nein.“
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