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Politik: Der Ärzteschreck

Erst seit einem Jahr ist Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Amt. Doch dass sie auch der nächsten Bundesregierung noch angehören könnte, gilt selbst in Kreisen der SPD als unwahrscheinlich.

Erst seit einem Jahr ist Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Amt. Doch dass sie auch der nächsten Bundesregierung noch angehören könnte, gilt selbst in Kreisen der SPD als unwahrscheinlich. Kein Wunder, dass sich seit ihren ersten Niederlagen auch andere Kandidaten ins Spiel bringen. Wie zum Beispiel Florian Gerster, der sich als Vordenker seiner Partei profiliert hat.

Über die Überschrift in der jüngsten Ausgabe des Hessischen Ärzteblattes "Florian Gerster - der starke Mann im Gesundheitswesen?" dürfte sich der rheinland-pfälzische Minister für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit nur kurz gefreut haben. Im Text heißt es dann nämlich, er sei der mächtige Mann, der hinter der Willkür der Behörden gegen die Berufsgruppe der Ärzte stehe, deren wahrscheinlich einziges Vergehen es gewesen sei, sich das falsche Bundesland für ihre Berufsausübung ausgesucht zu haben.

Schweres Geschütz gegen einen Sozialde- mokraten, der in Kurt Becks SPD/FDP- Kabinett als erfolgreich gilt. Doch mit schweren Geschützen, die sich gegen ihn richten, weiß der 52-jährige mit kühlem Kopf umzugehen. Sie halten ihn jedenfalls nicht von brisanten Vorschlägen ab. Wie der Einschränkung der freien Arztwahl als Voraussetzung für mehr Wettbewerb oder der Anpassung der Beihilfen für Beamte, Pensionäre und deren Angehörige. Von seiner ausgeprägten Konfliktbereitschaft wissen auch die Ideologen in der eigenen Partei ein Lied zu singen, die seine Lieblingsbeschäftigung, Thesenpapiere zu diesem und jenem zu erstellen, mit Argwohn verfolgen.

So erboste er 1992 als Minister für Bundesangelegenheiten selbst einmal seinen damaligen Ministerpräsidenten Rudolf Scharping mit einem Thesenpapier über die Beteiligung der Streitkräfte an Einsätzen über Blauhelmaktionen hinaus. Der Kollege Gerster reite hier ein politisches Hobby, wetterte Scharping und untersagte seinem Minister, dies auf Briefpapier mit dem Kopf der Landesregierung zu tun. Inzwischen sind diese Thesen längst Realität.

Unerschrocken nennt Gerster die systematischen Konstruktionsfehler des Sozialsystems beim Namen und scheut sich nicht, tiefe Einschnitte ins soziale Netz zu fordern. In einem internen Thesenpapier warf er der eigenen Bundestagsfraktion - damals noch in der Opposition - einmal gar vor, sie betreibe Sozialpolitik lediglich aus der Defensive und bewahre Ideale, um nicht konkrete Lösungskompetenz nachweisen zu müssen. Für Ärger sorgte der im rheinhessischen Worms geborene Arztsohn auch mit seinen Thesenpapieren zur Gesundheitsreform, die er als Mann mit systematischer Denkweise, großem Fleiß und Durchhaltevermögen gleichwohl unbeirrt weiter entwickelt.

Doch gegenwärtig schwimmt Gerster in den eigenen Reihen auf einer Woge des Zu- spruchs wegen seines in Rheinland-Pfalz als Pilotprojekt gestarteten "Mainzer Modells". Dass es nun auf ganz Deutschland ausgedehnt werden soll, um Sozialhilfeempfänger und Langzeitarbeitslose mit Zuschüssen zu den Sozialabgaben und zum Kindergeld zur Aufnahme niedrig entlohnter Arbeit zu bewegen, bewertet er stolz als "Anerkennung für die innovative Sozialpolitik des Landes Rheinland-Pfalz" und damit als Anerkennung auch für sich.

Der Oberstleutnant der Reserve ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er mag sowohl Jazzmusik als auch Orgelmusik. Nach dem Abitur und dem Wehrdienst bei der Bundeswehr studierte er Psychologie und Betriebswirtschaft. Zehn Jahre lang war er als Personalberater freiberuflich tätig. In die SPD trat er schon als 17-jähriger ein. Seit vielen Jahren ist der Intellektuelle mit dem vornehmen Touch SPD-Bezirkschef von Rheinhessen und dadurch auch stellvertretender SPD-Landesvorsitzender. Zehn Jahre war er Landtagsabgeordneter, dann eine Legislaturperiode lang Bundestagsabgeordneter, bis ihn Scharping 1991 in sein Kabinett holte. Seit 1994 ist er unter Kurt Beck für Arbeit, Soziales und Gesundheit, seit 2001 auch für Familie zuständig.

Seinem Ehrgeiz käme ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter bestimmt sehr entgegen. Auch wenn er in der SPD-Bundestagsfraktion nicht viele Freunde haben soll. Doch die scheint auch Ulla Schmidt inzwischen nicht mehr zu haben.

Heidi Parade

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