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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Rede zum 9. November.

© REUTERS/Maryam Majd

Bundespräsident schlägt Extremismus-Alarm: „Die Selbstbehauptung der Demokratie ist die Aufgabe unserer Zeit“

Frank-Walter Steinmeier fordert in seiner Rede zum 9. November, dass die Politik handelt. Jetzt. Und dass sich die Parteien nicht gegenseitig lähmen bei der Aufgabe, den Vormarsch der AfD zu stoppen.

In einem dramatischen Appell hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Deutschen dazu aufgerufen, die Demokratie zu verteidigen. „Nie in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes waren Demokratie und Freiheit so angegriffen“, sagte er in seiner Rede zum 9. November, dem 87. Jahrestag der Reichspogromnacht und dem 36. Jahrestag des Mauerfalls.

„Die Selbstbehauptung der Demokratie ist die Aufgabe unserer Zeit“, erklärte er. Die Bedrohung gehe von rechtsextremen Kräften aus, „die unsere Demokratie angreifen und an Zustimmung in der Bevölkerung gewinnen“, warnte er, ohne die AfD namentlich zu nennen.

Mit Extremisten darf es keine politische Zusammenarbeit geben. Nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten.

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Es sei an der Zeit, den Gefahren illusionslos ins Auge sehen. „Einfach abzuwarten, dass der Sturm vorbeizieht und solange in sichere Deckung zu gehen, das reicht nicht.“ Die Gesellschaft dürfe nicht hineinrutschen in eine neue Faszination des Autoritären und dann in neue Unfreiheit. „Zeit zu verlieren haben wir nicht. Wir müssen handeln.“ Dabei komme es entscheidend auf das Verhalten der Parteien der demokratischen Mitte an. „Den Erfolg des Extremismus zu verhindern, statt ihn zu ermöglichen – darum geht es jetzt.“

Eindringlich warnte Steinmeier die Parteien der Mitte vor jeder Form der Zusammenarbeit mit der AfD. Der Versuch, Antidemokraten zu zähmen, indem man ihnen Macht gewähre, sei nicht nur in Weimar gescheitert.

„Mit Extremisten darf es keine politische Zusammenarbeit geben. Nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten.“ Wenn dadurch ein Teil des demokratisch gewählten Parlaments von Gestaltung ausgeschlossen werde, so sei dieser Ausschluss selbst gewählt.

Weimar ist gescheitert, als der Reichstag keine verlässlichen Mehrheiten mehr zustande brachte. Auch unser Parlament braucht stabile Mehrheiten.

Frank-Walter Steinmeier

Mit Blick auf die bisherige Absage der Unionsparteien an eine Kooperation mit der AfD, heißt es: „Unvereinbarkeitsbeschlüsse und Brandmauern sind ein Signal. Sie sind aber keine Versicherung.“ Auch Brandmauern seien porös, wenn nicht zugleich Distanz zur Sprache, zu den Ressentiments und zu den Feindbildern der Rechtsextremen gewahrt werde, mahnte der Bundespräsident.

Steinmeier nahm zugleich die „politischen Kräfte Mitte-Links“ in die Pflicht. Sie trügen die „Verantwortung des richtigen Maßes“. Und weiter: „Es ist wenig hilfreich, jede unliebsame Äußerung pauschal als rechtsextrem zu diskreditieren.“ Wer jeden Anlass nutze, „Mitte-Rechts ein gemeinsames Lager mit Rechtsextremen zu unterstellen“, sei nicht nur unklug, sondern rüttele damit auf andere Weise auch selbst an der Brandmauer.

Auch sei es gefährlich, wenn Themen wie Migration und Sicherheit nicht besprochen werden können, weil sofort der Rassismusvorwurf im Raum stehe.

„Das hieße, dem rechten Rand die Hegemonie über Themen zu überlassen, die die Gesellschaft beschäftigen und verunsichern. Das darf nicht geschehen“, forderte das Staatsoberhaupt. Die demokratische Mitte müsse der Demokratieverachtung ihr Selbstverständnis entgegensetzen. „Wir lassen nichts liegen. Wir verschweigen nicht, wo gehandelt werden muss. Tatsächliche Probleme gehen wir an.“

In diesem Zusammenhang appellierte Steinmeier an die Abgeordneten des Bundestags, ihrer Verantwortung für die Handlungsfähigkeit im Parlament gerecht zu werden und verwies dabei erneut auf das Ende der Weimarer Republik. 

„Weimar ist gescheitert, als der Reichstag keine verlässlichen Mehrheiten mehr zustande brachte. Auch unser Parlament braucht stabile Mehrheiten, und es muss arbeitsfähig sein – das ist die Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten.“

Steinmeier sprach in seiner Rede auch die Debatte um ein mögliches Parteiverbot der AfD an. „Unsere Verfassung ist klar: Eine Partei, die den Weg in die aggressive Verfassungsfeindschaft beschreitet, muss immer mit der Möglichkeit des Verbots rechnen.“

Ein Verbot sei aber nicht die alles entscheidende Frage. „Wann – und ob – dieses Mittel angemessen ist, ob es irgendwann sogar unausweichlich ist, diese politische Debatte muss geführt werden, und sie wird geführt. Ob die Voraussetzungen vorliegen, das muss geprüft und abgewogen werden.“ 

Auf keinen Fall dürften Gesellschaft und Politik jedoch tatenlos bleiben, bis diese Fragen geklärt seien. Klar sei schon jetzt, wer sich gegen den freiheitlichen Kern der Verfassung stelle, könne nicht Richterin, Lehrer oder Soldat sein. „Verfassungsfeinde können auch von der Wahl zur Landrätin oder zum Bürgermeister ausgeschlossen werden.“ Die Demokratie sei „nicht dazu verurteilt, sich auszuliefern“, sie könne sich wehren.

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