zum Hauptinhalt
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hofft auf den SPD-Landesvorsitz in Berlin.

© imago images/Jens Schicke

Franziska Giffeys Titelverzicht: Der Doktor und das schlechte Spiel darum

Die Ministerin und SPD-Hoffnung trickst für ihre Karriere. Ist sie ihr wichtiger als ihre Glaubwürdigkeit? Ein Kommentar.

Früher war es für die Karriere nützlich, einen Doktortitel zu führen. Heute kann es nützlich sein, ihn nicht zu führen. Das Beispiel Franziska Giffey zeigt, warum. Fast zehn Jahre nach Start der Guttenberg-Affäre um dessen Vollplagiat gefährdet eine falsche Zitierweise das politische Amt. 

Ein bisschen wie ehedem mit der Stasi-Mitarbeit. Die Fälle wurden eher kleiner, die Empörung über sie größer. Letztlich hatte die Kanzlerin damals die richtigen Worte gefunden, nur zu früh und für den falschen Fall: Sie brauche Guttenberg als Minister, nicht als wissenschaftlichen Mitarbeiter. So verhält es sich heute mit Frau Giffey.

Das könnte entlastend wirken, wäre Giffey nicht die, die sie ist. Denn entsprechend einem Opportunismus, der für den Weg durch eine Partei in hohe Ämter punktuell nötig werden kann, hatte sie selbst ihren Titel im vergangenen Jahr zum Immer-noch-Politikum erklärt: Indem sie ankündigte, zurückzutreten, sollte er ihr entzogen werden. 

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Damit zeigte sie sich als vermeintlich ehrliche Haut, charakterfest und im Vollbesitz sittlicher Maßstäbe. Doch nebenbei bezweckte das Manöver, die FU-Prüfer unter Druck zu setzen, was mit Blick auf das wachsweiche Ergebnis wohl gelang. Manche finden das trickreich, sogar klug. Aber ist es Ausdruck politischer Tugend?

Wieder ein Manöver, das gelingen wird

Vergleichbar ist jetzt der überaus erwartbare Titelverzicht. Wieder ein Manöver, das gelingen wird. Wird ihr der Titel entzogen, bleibt Frau Giffey Frau Giffey. Und wenn sie ihn behalten darf, wird sie wieder Frau Doktor. Vom Titeldruck befreit, kann sie sich in der Berliner SPD in die erste Reihe spielen. 

Trickreich? Man sieht jedenfalls, die Maßstäbe an Reinlichkeit, die sie 2019 noch an sich anlegte, um Partei und Öffentlichkeit zu gefallen, sind ihr 2020 egal. Und wenn sie 2021 Regierende Bürgermeisterin wird, wird egal sein, was 2020 egal war. 

Viel von dieser Strategie findet sich jetzt schon in ihrem Bemühen, die Promotion zur Privatsache zu erklären. Privat heißt: Wer neugierig fragt, gilt als unfein. Mit dieser Haltung durchstand die Ministerin auch die Affäre um ihren Ehemann, der als Beamter mutmaßlich das Land Berlin betrog.

Das Peinlichste an der Dissertation: Ihre Entstehung

Man muss sich nicht die Rückkehr einer CDU-Regentschaft in Berlin herbeiwünschen, um solches Gebaren kritikwürdig zu finden. Und es soll auch nicht die amtlichen Leistungen schmälern, die die Ministerin fleißig nach außen trägt. 

Aber der auffällig große Zuspruch für die Politikerin steht in einem eigentümlichen Kontrast zu der Art, wie sie sich aus Schwierigkeiten windet. Es wirkt, als sei Karriere wichtiger als Glaubwürdigkeit.

Das Peinlichste an ihrer Dissertation könnte ohnehin die Art und Weise sein, wie sie am, mutmaßlich im und jedenfalls mit Bezug auf das Bezirksamt Neukölln entstanden ist, in dem schon Amtsvorgänger Heinz Buschkowsky seine Bestseller schreiben ließ. Wenn du ein Star bist, kannst du alles machen, sagte Donald Trump und wurde Präsident. Vielleicht liegt dort das Problem.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false