
© dpa/Michael Kappeler
Der Fraktionschef und die Raketen: „Rolf Mützenich führt ewiggestrige Debatten“
Der SPD-Fraktionschef hält nichts davon, amerikanische Raketen mit hoher Reichweite in Deutschland zu stationieren. Und provoziert damit seinerseits scharfe Reaktionen.
Stand:
Lange vorbereitet sei die Entscheidung, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), und sie sei „für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung“. Nicht überliefert ist, ob Scholz den SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, zum Kreis dieser gut informierten Personen zählt.
Der nämlich hat sich jetzt gegen ebenjene Entscheidung gewandt: Ab 2026 sollen US-amerikanische Marschflugkörper vom Typ „Tomahawk“ in Deutschland stationiert werden. Russisches Territorium wäre mit ihnen zu erreichen.
Olaf Scholz sieht das als Teil einer dringend nötigen Abschreckung. Und muss nun öffentlichen Widerspruch des SPD-Fraktionschefs aushalten.
Zeitenwende heißt nicht, dass wir anfangen müssen, in der ganzen Welt aufzurüsten.
Ralf Stegner, SPD-Bundestagsabgeordneter
„Wir müssen unsere Verteidigungsfähigkeit angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine verbessern, aber wir dürfen die Risiken dieser Stationierung nicht ausblenden“, sagte Mützenich den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich.“
Seinem Fraktionschef springt der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner bei. „Rolf Mützenich hat absolut Recht“, sagte er dem Tagesspiegel. Zeitenwende heiße Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit, auch Wehrhaftigkeit.
Aber: „Zeitenwende heißt nicht, dass wir anfangen müssen, in der ganzen Welt aufzurüsten. Es heißt nicht, dass Abrüstung von gestern ist und wir der Rüstungsindustrie jeden Wunsch von den Augen ablesen. Es heißt auch nicht, dass wir Waffen in die ganze Welt exportieren und glauben, das wäre die neue Wirtschaftspolitik.“
Stegner warnt: „Wer Stimmen wie die von Rolf Mützenich überhört oder gar diffamiert, bereitet Populisten den Boden, denen es gar nicht um Frieden geht, sondern darum, Autokraten zu unterstützen.“
Mützenich lebt in einer eigenen Welt, die mit der Realpolitik des Kanzlers nur noch wenig gemeinsam hat.
Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion
„Ewiggestrige Debatten“
Völlig anders sieht man das in der Union. „Mützenich verwechselt erneut Ursache und Wirkung: Uns bedrohen russische Langstreckenraketen, die im Gebiet Kaliningrad stationiert sind. Ohne die neuen US-Systeme sind wir schutzlos und mindestens erpressbar“, sagte Johann Wadephul, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, dem Tagesspiegel. „Mützenichs antiamerikanischer Reflex ist ein wiederkehrendes Muster. Er lebt in einer eigenen Welt, die mit der Realpolitik des Kanzlers nur noch wenig gemeinsam hat.“
Und auch beim liberalen Koalitionspartner hält man nicht viel von Mützenichs Einlassungen: „Rolf Mützenich ist und bleibt im Schützengraben des Bonner Hofgartens und führt ewiggestrige Debatten. Wir sollten den Amerikanern dankbar sein, dass sie auch weiterhin bereit sind, im Rahmen der NATO Europas Sicherheit zu gewährleisten“, sagte Ulrich Lechte, außenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, dem Tagesspiegel.
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