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Russlands Präsident Wladimir Putin und Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

© Foto: Uncredited/Sputnik Kremlin Pool Photo/AP/dpa

Der geheime Punkt 7 im Dekret: Kreml trickst offenbar bei der Teilmobilmachung

Statt 300.000 könnte Russland sogar eine Million Reservisten einziehen. Studenten und Männer ab 50 Jahren, die ausgenommen sein sollten, wurden wohl schon rekrutiert.

Im russischen Mobilisierungsdekret gibt es offenbar einen geheimen siebten Punkt, wonach es dem Verteidigungsministerium erlaubt ist, eine Million Menschen einzuberufen. Das hatte die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ unter Berufung auf Quellen aus der Präsidialverwaltung berichtet. Dieser Punkt fehlt in der veröffentlichten Version des Dekrets und war als „Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Auf Punkt sechs folgt in dem öffentlich einsehbaren Dekret stattdessen Punkt acht.

Eine solche Klausel würde den Aussagen des Verteidigungsministers Sergej Schoigu vom Mittwoch widersprechen. Dieser hatte nach der Fernsehansprache von Präsident Wladimir Putin gesagt, dass lediglich 300.000 „kampferfahrene“ Reservisten einberufen würden.

Präsidentensprecher Dmitrij Peskow bezeichnete den Bericht am Donnerstag auf Nachfrage als „Lüge“, bestätigte aber, dass es in dem geheimen Punkt des Dekrets um die Zahl der Reservisten gehe, die zum Militärdienst einberufen werden könnten. „Das Einzige, was ich sagen kann, ist das, was Sergej Schoigu gesagt hat: Wir sprechen über die Zahl von bis zu 300.000 Menschen“, sagte Peskow.

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Die „Nowaja Gaseta“ berichtet weiter, dass im Kreml zunächst die Frage diskutiert worden sei, den gesamten Erlass als Verschlusssache einzustufen. Später sei dann allerdings beschlossen worden, nur den siebten Punkt zu sperren.

Der US-Thinktank „Institute for the Study of War“ (ISW) berichtet nun, dass auch das Versprechen, nur „kampferfahrene“ Reservisten einziehen, nicht eingehalten werde. So behauptet die russische Opposition dem ISW zufolge, dass ein IT-Spezialist eingezogen wurde, obwohl er nie Wehrdienst geleistet habe. Auch Studierende und Männer über 50 Jahren sollen betroffen sein. Das Erstere eingezogen werden, hatte Schoigu explizit ausgeschlossen.

Aus zwei russischen Regionen, der Republik Sacha und der Oblast Kursk, gibt es dem ISW zufolge Berichte, wonach es Reservisten verboten sei, ihren Wohnort zu verlassen. Die „Nowaja Gaseta“ berichtet sogar von mindestens vier russischen Regionen, in denen die Militärkommissariate solche Befehle unterzeichnet hätten.

Offenbar werden doch Studierende eingezogen

Bereits am Tag der Verkündung der Teilmobilmachung waren die ersten russischen Reservisten kontaktiert worden. Nach Angaben des russischen Militärs meldeten sich sogar binnen 24 Stunden rund 10.000 Menschen von sich aus, um in der Ukraine zu kämpfen.

Sie seien freiwillig und ohne auf die Vorladung zu warten in die Rekrutierungsbüros gekommen, sagte ein Militärsprecher am Donnerstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Unabhängig nachprüfen lässt sich der Wahrheitsgehalt der russischen Angaben allerdings nicht.

Andere Russen werden als Strafe zum Militärdienst gezwungen: So berichtet die Nachrichtenagentur Reuters, dass einige der mehr als 1300 bei Protesten gegen die Teilmobilmachung Festgenommenen noch in Polizeigewahrsam Einberufungsbescheide erhalten hätten. Die russische Bürgerrechtsorganisation OVG-Info meldete Fälle aus 15 Polizeidienststellen. Kremlsprecher Peskow bezeichnete dieses Vorgehen am Donnerstag als rechtens.

Neben der Mobilisierung von Reservisten begann Russland auch mit der Einberufung von 120.000 Rekruten für den gewöhnlichen Wehrdienst. Das ist einmal pro Halbjahr üblich. „Die zum Wehrdienst einberufenen Bürger werden nicht zur Teilnahme an der militärischen Spezialoperation in der Ukraine herangezogen“, versicherte Generalstabs-Vertreter Wladimir Zimljanski.

Zimljanski zufolge werden die Wehrpflichtigen, deren regulär einjährige Dienstzeit nun endet, entlassen und an ihren Heimatort geschickt. Von dort aus könnte der Kreml sie dann theoretisch in die Ukraine schicken. (mit dpa)

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