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Werner Gatzer.

© Thomas Trutschel/Photothek via Getty Images

Finanzstaatssekretär Werner Gatzer: Der Mann, der Wolfgang Schäuble den Haushalt führt

Er ist der Etat: Seit zehn Jahren ist Werner Gatzer der für den Bundeshaushalt verantwortliche Staatssekretär im Finanzministerium. Die schwarze Null ist auch sein Werk.

Die kleine Anekdote sagt schon einiges: Als sich vor gut einem Jahr die Ministerpräsidenten anschickten, die Verhandlungen über den Finanzausgleich zur Chefsache zu machen, gab es Gebrumme im Kreis der Finanzminister. Die hatten sich bis dahin um die Sache gekümmert und wollten nun nicht abgemeldet werden. Einige hatten Zweifel, ob die Chefs der Staatskanzleien, die nun praktisch übernahmen, den Dingen gewachsen sein würden. Einer aus der Runde machte seinem Ärger Luft: „Wenn Schäuble seinen Gatzer schickt, dann knickt doch einer nach dem anderen ein.“

Man sieht, Werner Gatzer hat einen gewissen Ruf. Es heißt, er sei ein nicht immer angenehmer Verhandlungspartner. Trotz seines lakonischen Humors ist der Rheinländer, wenn es ums Berufliche geht, keiner, der nach der Devise handelt, man müsse auch „jönne könne“. Gatzer ist beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium (kurz BMF genannt) und vor allem für den Haushalt zuständig, auch für die föderalen Finanzbeziehungen und den Zoll. In der Postenbeschreibung steht das Gönnen nicht weit oben. Finanzstaatssekretäre sind Abwehrspieler, welche die gegnerischen Stürmer stoppen sollen. Die kommen aus den Bundesministerien und den Bundestagsfraktionen. Und aus den Ländern. Jeder Treffer kostet, jedes verhinderte Tor spart Geld. Finanzstaatssekretäre sparen gern.

Zehn Jahre im Amt

Zehn Jahre ist Gatzer mittlerweile im Amt, so lange wie nur wenige Staatssekretäre im Ministerium vor ihm. Einer seiner Vorgänger, der legendäre Manfred Overhaus, amtierte elf Jahre. Gatzer (Jahrgang 1958) ist unter dem Sparsamkeitsverfechter Overhaus beruflich groß geworden. Seit 25 Jahren, mit nur einer kurzen Unterbrechung, arbeitet er nun im Bundesfinanzministerium. Von Beginn an war er in der Haushaltsabteilung. Hans Eichel, der Mann mit den Sparschweinen auf dem Schreibtisch, hat ihn nach oben befördert: Leiter des Referats für Parlaments- und Kabinettsangelegenheiten, Unterabteilungsleiter, Chef des Leitungsstabs, Geschäftsführer der Finanzagentur des Bundes, welche das Schuldenmanagement betreibt. Eichel war und ist ein konservativer Sozialdemokrat, Haushaltspolitik hat solide zu sein. Der konservative Sozialdemokrat Gatzer sieht es auch so. Weshalb ihn Peer Steinbrück, als er 2005 in der großen Koalition Finanzminister wurde, wieder nach Berlin holte und zum Staatssekretär machte.

Als Wolfgang Schäuble 2009 Minister wurde, blieb Gatzer im Amt, was ihn wohl selbst überraschte. Aber Schäuble wusste warum. „In der Haushaltspolitik haben alle Minister, für die ich gearbeitet habe, eigentlich ein identisches Ziel verfolgt, nämlich das Ziel des ausgeglichenen Haushalts“, sagt Gatzer. „Etwas anders war es nur in der kurzen Zeit von Oskar Lafontaine, weil der ausgesprochen ausgabenorientiert war.“ Schuldenmacherei und freigebige Verteilungspolitik sind Gatzers Sache nicht, sie widersprechen dem Stabilitätscredo des Ministeriums, das ja nicht erst in der Euro-Krise erfunden wurde.

Schäuble hat Vertrauen

Schäuble hatte Gatzer näher kennengelernt, als sie zusammen (da war Schäuble Innenminister) Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst führten. Die Herausforderungen der Finanz- und Euro-Krise haben das Vertrauen offenbar gestärkt. Schäuble muss mehr als viele Vorgänger auswärtige Finanzpolitik machen, in Brüssel, bei internationalen Treffen. Gatzer hält dem Minister im Binnenbetrieb den Rücken frei und führt ihm den Haushalt (mit dem parlamentarischen Staatssekretär Steffen Kampeter von der CDU als politischem Begleiter). Sie vertreten die schwarze Null ohne Wenn und Aber. Die Schuldenbremse bei Bund und Ländern verteidigt Gatzer mit Verve, den Stabilitätsrat, der sie überwacht, hat er miterfunden. Erst das Erreichen des Ziels, keine neuen Schulden mehr zu machen, ermögliche nun etwas mehr Investitionen, sind sich Minister und Staatssekretär einig.

Das Verfahren zur Haushaltsaufstellung ist in Gatzers Amtszeit grundlegend verändert worden. Es war eine kleine Revolution, die sich 2011 ereignete (der Schock der Finanzkrise war hilfreich). Sie hat das Kräfteverhältnis innerhalb der Regierung verändert. War das Finanzministerium schon immer eine Macht, so ist es seither noch mächtiger. Und damit ist auch Gatzers Einfluss gewachsen. Denn das BMF zimmert jetzt den Rahmen, innerhalb dessen sich die Ressorts bewegen. Dieser „Top-down-Ansatz“ bedeutet, dass sich die Haushaltspolitik stärker am Machbaren zu orientieren hat und weniger am Wünschenswerten, wie das im früheren „Bottom-up-Verfahren“ der Fall war, als die Einzelressorts ihre Bedarfslisten und Wunschzettel ins Finanzministerium schickten mit der Bitte um Erfüllung. Natürlich wird in beiden Verfahren viel hin und her verhandelt, aber der neue Ansatz betont die Bedeutung der Einnahmen stärker als die Ausgabenorientierung. Früher sei es immer schwierig gewesen, die Erwartungen der Ministerien vom Tisch zu wischen, erinnert sich Gatzer. Dann habe stets die Suche nach dem nötigen Geld begonnen. Jetzt wird zuerst gefragt, was an Mitteln da ist, wie die Einnahmen sich entwickeln. „Der Top-down-Ansatz bei der Haushaltsaufstellung ist eine der besten Errungenschaften der letzten Jahre“, sagt Gatzer. „Ohne diese neue Form der Haushaltsaufstellung würde auch die Schuldenbremse nicht funktionieren.“ Auch für die Fachressorts sei das besser, „denn dadurch bekommen sie mehr Freiräume bei der Priorisierung von Vorhaben“. Das Finanzministerium rede nicht mehr bei allen Details mit. Natürlich sieht man das in den Ministerien bisweilen etwas anders.

Wie wird ein Etat aufgestellt?

Im Januar hat Gatzer seine Haushaltscrew um sich geschart (28 Abteilungs-, Unterabteilungs- und Referatsleiter, wenn alle dabei sind), um den Etat für 2016 vorzubereiten. Sie legte die Leitplanken fest, die sich am Koalitionsvertrag orientieren, an aktuellen Beschlüssen (wie dem Zehnmilliarden-Investitionspaket), dem Abschluss für 2014, der ja einen kleinen Überschuss brachte. Sehr zur Freude Gatzers. Ein Einzeletat nach dem anderen wurde durchgearbeitet, im Verein mit den jeweiligen Ressorts. Natürlich mischt auch das Kanzleramt mit, wobei man hört, dass Kanzleramtschef Peter Altmaier sich weniger für Zahlendetails interessiert als sein Vorgänger Ronald Pofalla. Am 18. März legten Kampeter und Gatzer die Eckwerte des Etats für 2016 und die Planung für die Jahre bis 2019 vor. Sie sind bindend. Bis Juni findet ein „Fein-Tuning“ statt, am 1. Juli kommt der Kabinettsentwurf, es beginnt das parlamentarische Verfahren, der Haushaltssausschuss tritt in Aktion. Doch die Veränderungen, welche die Abgeordneten jetzt noch durchsetzen können, sind begrenzt. Mit der Bereinigungssitzung des Ausschusses im Spätherbst endet das Verfahren. Natürlich fallen am Ende die Ausgaben etwas höher aus, als im Ministerium geplant, aber das kennen Finanzbeamte, dafür gibt es genügend „Luft“ im Entwurf.

Vielleicht sogar etwas mehr als einst. Denn in den vergangenen Jahren hat sich auch in der Architektur von Exekutive und Legislative etwas verändert. Früher, sagen langjährige Beobachter, seien die Mitglieder des Haushaltsausschusses eher Verbündete der Finanzminister gewesen, hätten restriktiver agiert und gemauert. Heute neigten sie dagegen häufiger den Kollegen aus den Fachausschüssen zu und deren unstillbarer Sehnsucht nach mehr Geld für dies und das. Gatzer selbst hat in letzter Zeit noch eine andere Erfahrung gemacht: „In beiden Regierungsfraktionen hat das Gewicht der Verteilungspolitiker zugenommen.“ Angesichts der sprudelnden Steuerquellen ist das kein Wunder; der Staatssekretär sieht dagegen auch die Steuerzahler.

Schuldenbremse hat Bewährungsprobe vor sich

Die Herausforderung der Finanzkrise, die sich im Bundesetat mit einem Rekordminus ausdrückte, hat Deutschland relativ gut gemeistert. Die schwarze Null ist, geht es nach Schäuble und Gatzer, auf Jahre sicher. Die niedrigen Zinsen sind dafür günstig, sie schaffen Spielräume. Die Schuldenquote im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung sinkt konstant dank einer relativ guten Konjunktur. Der vorsichtige Haushälter aber warnt. „Die Schuldenbremse hat ihre eigentliche Bewährungsprobe noch vor sich“, sagt Gatzer. „Die kommt dann, wenn die Zeiten wieder schlechter werden als jetzt, wenn also die Steuereinnahmen weniger gut laufen.“

Ob Gatzer dann noch im BMF den Haushalt führt? Der Vater von vier erwachsenen Kindern und Anhänger des 1. FC Köln (ein Vereinsemblem klebt am Dienst-Audi) hat unter Steinbrück und Schäuble einiges bewegen können. Der ausgeglichene Haushalt, auf den er gemäß der Hausphilosophie seit 1990 in verschiedenen Funktionen hingearbeitet hat, ist geschafft. Nicht wenige Finanzstaatssekretäre wechselten in andere Verwendungen. Karl Otto Pöhl und Hans Tietmayer etwa wurden Bundesbankchefs, Jürgen Stark und Jörg Asmussen wechselten zur Europäischen Zentralbank. Ein gewisser Horst Köhler wurde Sparkassenpräsident, Direktor beim Internationalen Währungsfonds, Bundespräsident. Es gibt da offenkundig viele Möglichkeiten. Im vorigen Herbst war Gatzer auch als neuer Berliner Finanzsenator ins Gespräch gebracht worden. Man kann aber auch bis zur Pension im Amt bleiben – wie sein Vorgänger Overhaus, der gern als „ewiger Staatssekretär“ bezeichnet wurde.

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