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Der Virchowbund der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte konnte am Mittwoch keine Angaben zur Zahl der beteiligten Praxen machen.

© dpa/Marijan Murat

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„Der Streik bringt nichts nach vorne“: Lauterbach und Kassen kritisieren Ärzte für Forderung nach mehr Geld

Tausende Mediziner beteiligen sich aktuell an Protesten. Die gesetzlichen Versicherungen haben dafür kein Verständnis. Auch der Gesundheitsminister meldet sich erneut zu Wort.

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Ärztestreik mitten in der Krankheitswelle in Deutschland: Noch bis Freitag sollen Haus- und Facharztpraxen geschlossen bleiben – 20 Verbände haben unter dem Motto „Praxis in Not“ zu dem Protest gegen die Politik von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) aufgerufen.

Scharfe Kritik an den Streiks kommt nun von den gesetzlich Krankenkassen. Sie lehnen die Forderung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nach mehr Geld ab. Auch der Minister selbst bekräftigte sein Unverständnis. Er verstehe nicht, warum gestreikt wird, sagte der SPD-Politiker. Es gebe derzeit eine „riesige Krankheitswelle“ in der Bevölkerung. „Der Streik bringt überhaupt nichts nach vorne“, kritisierte Lauterbach.

Die Vorstandschefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen, Doris Pfeiffer, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf die laufenden Protestaktionen verschiedener Ärzteverbände, die Brutto-Reinerträge der niedergelassenen Ärzte seien in den vergangenen Jahren im bundesweiten Durchschnitt gestiegen.

Was Ärzte oder Apotheker mehr bekommen wollen, müssen die Supermarktkassiererin und der Lkw-Fahrer mit ihren Krankenkassenbeiträgen finanzieren.

Doris Pfeiffer, Vorstandschefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen

„Außerdem muss deutlich gesagt werden: Was Ärzte oder Apotheker mehr bekommen wollen, müssen die Supermarktkassiererin und der Lkw-Fahrer mit ihren Krankenkassenbeiträgen finanzieren“, sagte Pfeiffer. Auch sie litten unter den gestiegenen Preisen.

Pfeiffer wandte sich auch gegen weitere Finanzhilfen für die Kliniken. „Es kann doch nicht sein, dass die Beitragszahlenden zusätzliches Geld in ein Kliniksystem pumpen, in dem 30 bis 40 Prozent der Betten dauerhaft leer stehen“, sagte sie.

Es mache keinen Sinn, jetzt noch Kliniken zu stützen, die am Ende niemand mehr für eine gute Patientenversorgung brauche. „Das Prinzip der Förderung mit der Gießkanne muss ein Ende haben. Es ist auch genug Geld im System.“ 

Der Virchowbund der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte konnte am Mittwoch keine Angaben zur Zahl der beteiligten Praxen machen, weil der Streik dezentral organisiert werde. Man rechne aber mit bundesweit mehreren Zehntausend geschlossenen Praxen, erklärte eine Sprecherin.

Die Praxen waren dazu aufgerufen worden, ihre Patienten über die Schließung zu informieren, auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst zu verweisen und für Vertretung für Notfälle zu sorgen. Da nach dem Protest das Wochenende und der Neujahrstag folgen, dürften die Praxen erst am 2. Januar wieder öffnen.

Es gehe um weniger Bürokratie und bessere Arbeitsbedingungen, so Lauterbach

Lauterbach will sich mit den Hausärzten im Januar zu einem Krisengipfel treffen, um über die beklagte Überlastung und die viele Bürokratie in den Praxen zu beraten. Der Minister kritisierte die Ärzteschaft am Mittwochabend erneut. „Die Forderung nach mehr Geld halte ich nicht für begründet“, sagte er im ZDF-„Heute Journal Update“.

Mit Ausnahme der Schweiz werde nirgendwo in Europa in den Praxen so viel verdient wie in Deutschland, argumentierte der Gesundheitsminister. Gerade viele Facharztgruppen verdienten im internationalen Vergleich „ausgezeichnet“, sagte Lauterbach. Bei anderen Berufsgruppen im Gesundheitssystem, etwa bei den Pflegekräften, bestünde mehr Bedarf.

„Die Spielräume für Honorarzuwächse, die sehe ich nicht“, sagte Lauterbach. „Die Praxen brauchen bessere Arbeitsbedingungen, brauchen weniger Bürokratie. Das Geld muss auch gerechter verteilt werden“, sagte er im ZDF. „Aber einfach mehr Geld in ein System zu schütten wie in der Vergangenheit – was nicht wirklich gut funktioniert – diese Lösung haben wir einfach zu oft praktiziert. Die wird nicht im Vordergrund stehen.“

Konkret für einen „Krisengipfel“ im Januar im Blick stehen aber bessere Bedingungen vor allem für Hausärzte, wie die Agentur dpa schreibt. Für sie sollen – wie schon für Kinderärzte – die Honorar-Budgets aufgehoben werden, wie es aus Ministeriumskreisen hieß. (lem) 

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