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Zukunft wieder offen: Hans-Georg Maaßen.

© Axel Schmidt / REUTERS

Streit um "Hetzjagd" und die Folgen: Der Verfassungsschutz sollte informieren, nicht manipulieren

Hans-Georg Maaßen hat "vertrauliche" Kontakte zu Medien und Politikern ausgenutzt, um Opposition zu machen. Die Regierung sollte dies verbieten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist der zu Behörde gewordene Ausdruck für das, was im Ausland als „German Angst“ bekannt ist. Früher war es die Angst vor einem erneuten nationalsozialistischen Umsturz, heute ist es die Angst vor Islamismus, Terror, Extremismus. Bedenkt man die Stabilität, in der die Bundesrepublik als ein EU-Kernland gedeihen durfte, war diese Angst wohl kein schlechter Ratgeber. Im Hinblick auf das, was kommen mag – wieder mehr Migration, AfD-Rechtsausleger, die offenbar wachsende Bereitschaft, politischen Gegnern den Schädel einzuschlagen –, fällt es schwer, die im weltweiten Vergleich eher seltenen Dienste der Verfassungsschützer als entbehrlich zu erachten.

Die Schlapphüte werden ihre Schlapphüte aufbehalten

Dass die von der SPD in profilschärfender Absicht betriebene Ablösung Hans-Georg Maaßens als oberster Verfassungsschützer für das Amt eine Zäsur bedeutet, ist deshalb wenig wahrscheinlich. Horst Seehofer spricht von organisatorischen Änderungen. Das klingt weder nach personeller Aufstockung in die Dimensionen des Bundesnachrichtendienstes, die Maaßen sich gewünscht hatte, noch nach künftigem Verzicht auf Einsatz geheimdienstlicher Mittel und einer Strategie, die sich auf Analyse des öffentlich Beobachtbaren beschränkt, wie Skeptiker fordern. Die Schlapphüte werden ihre Schlapphüte aufbehalten. Der Schaden, den der Verfassungsschutz anrichtet, wird allgemein noch immer als weniger bedrohlich angesehen als jener, vor dem er bewahren könnte.

Die "Bild"-Zitate waren kein Ausreißer

Einkehr tut dennoch not. Maaßen und seine Affären geben allen Anlass. In den vergangenen Tagen ist in bemerkenswerter Offenheit darüber geschrieben worden, wie der langjährige Präsident sein Amt in eine Art oppositionelle Außenstelle für Flüchtlingsfragen umgewandelt hatte. Hier betätigte sich der als Staatssekretär Gehandelte als politischer Influencer. In als vertraulich deklarierten Gesprächen soll er einflussreiche Journalisten und möglicherweise auch Politiker mit seiner Kritik an der kanzleramtlichen Migrationspolitik geimpft haben, seit sich 2015 die Grenzen öffneten. Wem er dabei welche Infos steckte, um die Meinungsmaschinen in seine Richtung zu steuern, bleibt vorerst behördliches Geheimnis. Doch wie sich zeigt, waren die mutmaßlich zwischen Maaßen und dem „Bild“-Chefredakteur arrangierten umstrittenen Zitate zur Chemnitzer „Hetzjagd“ letztlich kein Ausreißer, sondern machten öffentlich, was sonst im Verborgenen lief. Hier hat nicht das Amt, hier hat der oberste Amtsträger ein Eigenleben abseits seiner eigentlichen Aufgaben entwickelt.

Wer etwas vom Verfassungsschutz braucht, kann sich bei ihm melden

Für einen aufmerksamen Innenminister, der Horst Seehofer nicht mehr werden wird, wäre es deshalb ein Leichtes, die nötigen Schlüsse zu ziehen: Sämtliches auf Öffentlichkeit zielende Informationshandeln des Verfassungsschutzes hat ab sofort öffentlich zu sein. Vertrauliche Treffen mit Politikern oder Journalisten sind zu untersagen. Wer Fragen an das Amt hat oder Hilfe braucht, mag, auch bei Geheimschutzbedarf, die offiziellen Kanäle nutzen. Das ist Abgeordneten der AfD ebenso zuzumuten wie Politikern anderer Parteien, von Journalisten ganz zu schweigen. Das Bundesamt, das über exklusives Wissen zu politisch bedeutsamen Zusammenhängen und Entwicklungen verfügt, soll informieren, nicht manipulieren. Maaßens einziges echtes Versagen war es, diese Grenze verwischt zu haben. Vertrauen braucht Transparenz. Seltsam, dass es Leute gibt, die das nicht begreifen.

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