zum Hauptinhalt
Letztes Addio? Die Präsidenten Steinmeier und Mattarella am Dienstag in der Italienischen Botschaft in Berlin. Neben ihnen Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender und Laura Mattarella, die Tochter des italienischen Präsidenten.

© Reuters

Deutsch-italienische Städtepartnerschaften: Städte helfen sich auch nach der Pandemie weiter

Beim vermutlich letzten Treffen ihrer jeweiligen Amtszeiten ehren der Bundespräsident und Italiens Staatspräsident das Engagement von Städten in beiden Ländern.

Sechsmal haben sie sich allein bilateral getroffen. Telefonisch standen sie vor allem im Coronajahr in ständiger Verbindung. Dass sie sich über ihre politischen Rollen hinaus mögen, ist jedesmal zu spüren. Doch es könnte ihr letztes Treffen im Amt gewesen sein. Er blicke mit Wehmut zurück, sagte Bundespräsident Steinmeier am Dienstag beim Mittagessen im Berliner Schloss Bellevue zu Sergio Mattarella, Italiens Staatspräsidenten, den Amtskollegen, dem er, so Steinmeier, wohl so oft begegnet sei wie keinem sonst.

Im Januar wird in Italien ein neuer Staatspräsident gewählt, und Mattarella hat schon mehrfach erklärt, dass er sich mit seinen nun 80 Jahren zu alt fühlt, den anstrengenden Job weitere sieben Jahre zu machen. Frank-Walter Steinmeier, sein 15 Jahre jüngerer deutscher Kollege, hat zwar angekündigt, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren. Dass er das mit den neuen Mehrheitsverhältnissen in der Bundesversammlung, die ihn wählen müsste, aber auch kann, scheint im Augenblick unwahrscheinlich.

Städtepartnerschaften als "konkrete Solidarität"

Das macht die Preisverleihung, zu der sich beide am Dienstag in Berlin trafen, zu einer Art gemeinsamem Vermächtnis: In der italienischen Botschaft verliehen Steinmeier und Mattarella zum ersten Mal den "Preis der Präsidenten für die kommunale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien". Ausgelobt hatten sie ihn vor genau einem Jahr. Er ging jetzt an fünf Partnerschaftsprojekte, zwei zwischen größeren und drei von kleineren und mittleren Gemeinden beider Länder. Beworben hatten sich 70 Vorhaben, also je 70 deutsche und italienische Kommunen.

Mattarella erinnerte daran, dass die Initiative beider zu dem Preis "in einem besonderen Moment" kam. Vor einem Jahr, "als der Weg aus dem Pandemie-Notstand noch lang und unsicher schien", sei "die konkrete Solidarität zwischen unseren beiden Völkern auf allen Ebenen mit Händen greifbar gewesen".

Steinmeier und er hatten bereits im vergangenen Sommer ausdrücklich den Kommunen ihrer Länder gedankt. In einem gemeinsamen Schreiben an die Rathäuser der rund 400 Kommunen, die über deutsch-italienische Städtepartnerschaften verbunden sind, würdigten sie deren Solidarität in der Pandemie und den Elan, mit dem neue städtische Initiativen Ältere unterstützten und deutsche Kommunen dabei halfen, dass schließlich 44 Schwerkranke in deutsche Krankenhäuser ausgeflogen wurden, um das ächzende italienische Gesundheitssystem zu entlasten.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

So ging der Preis, über den eine Jury aus Mitgliedern beider Länder entschied, unter anderem an ein gemeinsames Projekt von Ludwigsburg und Bergamo, die Gemeinde, die Anfang letzten Jahres besonders früh und hart von Covid getroffen war. Bergamo galt als "Italiens Wuhan". In den ersten Monaten der Pandemie vervierfachten sich die Sterbezahlen dort. Praktisch keine Familie blieb verschont, Bilder nächtlicher Militärkolonnen gingen um die Welt, mit denen die Stadt ihre Toten in nahe Gemeinden brachte, weil die Friedhöfe und Krematorien der Stadt nicht ausreichten.

Aus der Covid-Hilfe soll nun Partnerschaft werden

Mit den 50.000 Euro aus dem Preis wollen die Bürgermeister Sebastian Mannl und Giorgio Gori jetzt die Folgen der Pandemie bewältigen helfen. Sie werden einen bürgerschaftlichen "Jugendrat" einrichten, der über die Generationen hinweg die Erfahrungen aus der Zeit bündelt und Vorschläge macht, wie die Covid-Folgen abzufedern sind. Beide Städte liegen in hochindustrialisierten Regionen - Bergamo nahe Mailand, Ludwigsburg bei Stuttgart. Förmlich Partnerstädte sind sie noch nicht, wollen es aber nun werden.

Ebenfalls für ein Jugendprojekt ausgezeichnet wurden die baden-württembergische Kleinstadt Giengen an der Brenz und ihre sizilianische Partnerstadt seit 2019, San Michele di Ganzaria in der Nähe von Catania. Beide wollen ihre jungen Bürgerinnen und Bürger dafür interessieren, selbst Verantwortung in der Kommune zu übernehmen. Dafür sollen sie auch technisch geschult werden.

Höchberg in Franken und Bastia Umbra bei Perugia wollen die Teilhabe Behinderter, vor allem autistischer Menschen, fördern. Hamm und Bari - ebenfalls keine förmlichen Partnerinnen - wollen die Stadterneuerung gemeinsam voranbringen, ihre Industriebrachen umwidmen oder renaturieren.

Steinhagen im Kreis Gütersloh und Fivizzano in der Toskana sind seit 1988 als Partnerstädte verbunden. In der toskanischen Gemeinde gedachten Steinmeier und Mattarella 2019 eines SS-Massakers. In dem Ort in der Provinz Massa-Carrara massakrierte die SS 1944 170 Menschen, darunter viele Kleinkinder. Es war eins der vielen Massaker, die zwischen September 1943, als NS-Deutschland in Italien zur Besatzungsmacht wurde, und Mai 1945 zwischen zehn- und fünfzehntausend Zivilist:innen in Italien das Leben kosteten.

Eine digitale Bibliothek über Sprachgrenzen hinweg

Der Preis an die beiden Partnerinnen geht aber nicht an ein Erinnerungsprojekt: Steinhagen und Fivizzano werden mit 19.000 Euro Preisgeld eine digitale Bibliothek einrichten und in Podcasts und Videos übereinander informieren. In der Literatur beider Länder sollen junge Leute Antworten auf die Frage nach einer europäischen Identität finden.

Staatspräsident Mattarella betonte in seiner Rede zur Preisverleihung die Bedeutung der Städte und Gemeinde für ein europäisches Bewusstsein: "Die Europäische Union wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stärker und enger verbunden sein müssen als die, die ihre Gründer uns übergeben haben", sagte er. Dazu brauche sie "Wurzeln und Sichtbarkeit im Alltag aller unserer Mitbürger".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false